Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
seinem Innern ein straff gespannter Strang. Er fühlte, wie er sich entkrampfte.
Abends schlief er ein, während Elena noch über die Unwissenheit oder das Unverstehen redete, das es ihr unmöglich machte, von Amok irgend etwas zu erfahren.
Ein langer, erholsamer Schlummer stellte in ihm das Gefühl wieder her, gesund zu sein, so daß er am folgenden Morgen wieder besser dazu imstande war, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Während er an Elenas Seite dahinritt, unterzog er den Melenkurion Himmelswehr einer genauen Musterung. Der Berg ragte empor wie ein steinerner Schutzherr, sperrte die ganze südöstliche Morgendämmerung vom Blickfeld aus. Mit einer gemäßigten Aufwallung von Unruhe erkannte er, daß sie wahrscheinlich noch vor Ablauf des Tages dort eintreffen würden.
Bedächtig erkundigte er sich bei Elena danach, was man über den Bergriesen wisse.
»Wenig vermag ich dir mitzuteilen«, antwortete sie. »Er ist der höchste bekannte Berg im Land, und zu seinem Namen zählt eines der Sieben Worte der Macht. Doch Kevins Lehre enthüllt wenig über ihn. Vielleicht bergen die übrigen Wissenskreise entsprechende Kenntnisse, aber der Erste und Zweite Kreis enthalten nur wenige Hinweise und Andeutungen. In unserem Zeitalter haben die Lords bezüglich dieses Berges kein neues Wissen errungen. Seit Menschen nach dem Ritual der Schändung ins Land zurückkehrten, ist niemand dem Himmelswehr so nahe gekommen wie nun wir. Ich ahne in meinem Herzen, daß diese hohen Gipfel einen Ort der Macht kennzeichnen – eine Örtlichkeit, die sogar den Gravin Threndor überbietet. Doch außer der befremdlichen Verschwiegenheit von Kevins Lehre besitze ich dafür keine Beweise. Obschon der Melenkurion Himmelswehr der höchste Ort im Lande ist, beziehen der Erste und Zweite Kreis des Wissens sich auf ihn lediglich in ein paar alten Karten, einem Stück eines Liedes sowie zwei ungeklärten Wendungen, die – falls sie nicht falsch übertragen worden sind – von ›Gebot‹ und ›Blut‹ sprechen.« Sie lächelte verzerrt. »Daher ist mein Unvermögen, Amoks Wissen zu erschließen, nicht allzu verwunderlich.«
Das brachte sie wieder über ihre Unzulänglichkeit ins Grübeln, so daß sie in Schweigen verfiel. Covenant versuchte, sich Mittel und Wege zu ihrer Unterstützung auszudenken. Aber das war das gleiche, als wolle er durch eine Steinmauer spähen; er verfügte ja nicht einmal über die nötigen Voraussetzungen. Wenn er seinen Teil des unausgesprochenen Handels einhalten wollte, mußte er es auf irgendeine andere Weise tun. Aufgrund seiner Intuition glaubte er fest daran, daß seine Chance kommen werde. Unterdessen schickte er sich ins Warten darauf, daß Amok sie zu guter Letzt zu dem Berg brachte.
Der Endspurt kam dann schneller als vermutet. Amok führte sie durch einen langgezogenen Paß zwischen zwei stumpfkegeligen Gipfeln und in einen gewundenen Hohlweg, der abwärts und gleichzeitig nach Osten verlief. Um die Mittagszeit befanden sie sich gut fünfhundert Meter tiefer. Dort endete der Hohlweg und mündete auf ein weites, flaches, recht ödes Plateau vor den Abhängen des Bergriesen. Das Plateau erstreckte sich im Osten und Süden um den Melenkurion Himmelswehr, so weit Covenants Auge blickte. Das flache Gelände wirkte wie ein Untersatz, ein Sockel für die beiden viereinhalb- bis fünftausend Meter hohen, einander gleichen Gipfel. Und östlich des Plateaus standen gar keine Berge. Nach langen Tagen umständlicher Kletterei gierten die Ranyhyn nach einem flotten Lauf und galoppierten munter hinaus auf den ebenen Felsengrund.
Amok blieb ihnen mit verblüffender Flinkheit voraus. Er lachte, während er rannte, und steigerte sein Tempo sogar noch.
Die Ranyhyn legten sich verstärkt ins Zeug und verfielen in gestreckten Galopp, hängten Covenants Hengst ab. Aber trotz ihrer ernsthaften Bemühungen blieb Amoks Blitzartigkeit ihnen überlegen. Belustigt führte er die Reiter in die östliche Richtung und dann südwärts zur Mitte des Plateaus.
Covenant folgte in gemächlicherer Gangart. Bald darauf ritt er unterm ersten Gipfel des Berges vorbei. Das Plateau war hier mehrere hundert Meter breit und reichte südwärts, bis es sich unterm zweiten Gipfel nach Westen außer Sicht bog. Für die Höhe einiger hundert Meter lehnten die Gipfel oberhalb des Plateaus aneinander, aber ihre Fuge war deutlich erkennbar, als seien die beiden Teile von unterschiedlicher Beschaffenheit. An ihrer untersten Stelle, wo diese Fuge
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