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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Schlußfolgerung kam, die sich ihm seit seiner Ankunft hier aufdrängte. Der Mörder des Metamorphenarchäologen mußte selbst ein Metamorph sein. Wie Nascimonte zuvor schon angedeutet hatte, schien die Bluttat einen Ritualcharakter zu haben, der deutlich die Handschrift der Metamorphen trug.
    Und doch ergab es keinen Sinn. Valentine konnte nicht glauben, daß der alte Mann von einem Angehörigen seines eigenen Volkes getötet worden war.
    »Wie war Huukaminaan?« fragte er Magadone Sambisa. »Wißt Ihr, ich habe ihn nie kennengelernt. War er streitsüchtig? Zänkisch?«
    »Nicht im geringsten. Ein reizender, sanftmütiger Mann. Ein brillanter Gelehrter. Es gab keinen, Piurivar oder Mensch, der ihn nicht geliebt und bewundert hätte.«
    »Mindestens einen muß es gegeben haben«, bemerkte Nascimonte trocken.
    Vielleicht lohnte es sich, Nascimontes Theorie auf den Grund zu gehen. Valentine sagte: »Könnte es zu einer Art erbitterter beruflicher Rivalität gekommen sein? Zu einem Disput darüber, wem der Ruhm für eine Entdeckung gebührte, einem Streit wegen einer bestimmten Theorie?«
    Magadone Sambisa sah den Pontifex an, als hätte er den Verstand verloren. »Glaubt Ihr, wir töten einander wegen solcher Dinge, Euer Majestät?«
    »Es war eine dumme Frage«, sagte Valentine mit einem Lächeln. »Nun denn«, fuhr er fort, »nehmen wir an, Huukaminaan wäre im Lauf seiner Arbeit hier in den Besitz eines wertvollen Artefakts gelangt, einer unschätzbaren Kostbarkeit, die auf dem Antiquitätenmarkt eine immense Summe gebracht hätte. Könnte das nicht ein hinreichender Grund gewesen sein, ihn zu ermorden?«
    Wieder der ungläubige Blick. »Die Artefakte, die wir hier finden, Majestät, sind schlichte Sandsteinfiguren und Ziegelsteine mit Inschriften, keine goldenen Tiaren oder Smaragde so groß wie Gihorna-Eier. Was sich zu plündern lohnte, das wurde schon vor langer, langer Zeit geplündert. Und wir würden nicht im Traum daran denken, die Kleinigkeiten, die wir hier finden, privat zu verkaufen, sowenig, wie wir daran denken würden, uns . . . uns . . . nun ja, uns gegenseitig umzubringen. Unsre Funde werden zu gleichen Teilen an das Museum der Universität von Arkilon und das Schatzamt der Piurivar in Ilirivoyne gegeben. In jedem Fall - nein, nein, es lohnt sich nicht einmal, darüber zu diskutieren. Die Vorstellung ist vollkommen absurd.« Sofort wurden ihre Wangen leuchtend rot. »Vergebt mir, Euer Majestät, ich wollte nicht unhöflich sein.«
    Valentine tat die Entschuldigung mit einer Handbewegung ab. »Seht Ihr, ich versuche nur, eine plausible Erklärung für das Verbrechen zu finden. Einen Anhaltspunkt zumindest, an dem wir mit unseren Ermittlungen beginnen können.«
    »Ich werde Euch einen geben, Valentine«, sagte Tunigorn plötzlich. Sein sonst offenes und freundliches Gesicht war zu einem mürrischen Stirnrunzeln verzerrt, bei dem seine buschigen Augenbrauen zu einer einzigen Linie zu verschmelzen schienen. »Wir dürfen auf keinen Fall außer acht lassen, daß ein Fluch auf diesem Ort liegt. Das wißt Ihr, Valentine. Ein Fluch. Die Gestaltwandler selbst haben die finsteren Worte vor wer weiß wie vielen Jahrtausenden über diese Stadt gesprochen, als sie sie zerstörten, um diejenigen zu bestrafen, die diese beiden Meeresdrachen zerstückelt hatten. Sie wollten, daß der Ort für alle Zeiten gemieden wird. Seither leben nur Geister hier. Indem Ihr Eure Archäologen hierher schickt, Valentine, stört Ihr diese Geister. Macht sie wütend. Und darum schlagen sie zurück. Die Ermordung des alten Huukaminaan war nur der erste Schritt. Es wird noch schlimmer kommen, denkt an meine Worte!«
    »Und Ihr glaubt, Geister sind imstande, jemand in fünf oder sechs Stücke zu zerteilen und die Teile überall zu verstreuen?«
    Tunigorn schien verärgert zu sein. »Ich weiß nicht, wozu Geister imstande sind und wozu nicht«, sagte er standhaft. »Ich sage Euch nur, was mir durch den Kopf geht.«
    »Danke, mein guter alter Freund«, sagte Valentine liebenswürdig. »Wir werden dem Gedanken die Aufmerksamkeit widmen, die er verdient.« Und zu Magadone Sambisa sagte er: »Ich muß Euch sagen, was mir nach allem, was Ihr mir heute hier und im Schrein der Pyramide gezeigt habt, durch den Kopf gegangen ist. Und das ist, daß mir die Ermordung von Huukaminaan wie ein Ritualmord vorkommt, und das Ritual, um das es geht, ist ein Ritual der Piurivar. Ich sage nicht, daß es das war; ich sage nur, daß es zumindest diesen

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