Der siebte Schrein
der Nähe der Ruinen der Siebten Pyramide wurde ein Schrein entdeckt«, fuhr Valentine fort. »Soweit ich weiß, hatte der verstorbene Dr. Huukaminaan die Absicht, diesen Schrein zu öffnen. Ihr hattet heftige Einwände dagegen, habe ich recht?«
»Ihr habt recht.«
»Einwände auf welcher Basis?«
»Daß der Schrein ein heiliger Ort ist und nicht durch profane Hände entweiht werden darf.«
»Wie kann es einen heiligen Ort in einer Stadt geben«, fragte Valentine, »über die ein Fluch ausgesprochen wurde?«
»Der Schrein ist trotzdem heilig«, sagte der Khivanivod störrisch.
»Auch wenn niemand weiß, was im Inneren sein könnte?«
»Ich weiß, was im Inneren ist«, sagte der Khivanivod.
»Ihr? Wieso?«
»Ich bin der Hüter des Schreins. Das Wissen wird von Hüter zu Hüter weitergereicht.«
Valentine verspürte einen kalten Schauer auf dem Rücken. »Aha«, sagte er. »Der Hüter. Des Schreins.« Er schwieg einen Moment. »Als offiziell ernannter Nachfolger eines Hüters, nehme ich an, der hier vor Tausenden von Jahren einen Pontifex ermordet hat. Der Ort, wo man Euch gerade beim Beten gefunden hat, ist das Grab dieses Pontifex, wie mir gesagt wurde. Stimmt das?«
»Es stimmt.«
»In dem Fall«, sagte Valentine und gestattete sich die Andeutung eines Lächelns um die Mundwinkel, »muß ich meine Wachen bitten, Euch sehr genau im Auge zu behalten. Denn als nächstes, mein Freund, werde ich Magadone Sambisa und ihren Leuten den Auftrag erteilen, sofort damit anzufangen, den siebten Schrein zu öffnen. Und nun sehe ich, daß mir dadurch eine Gefahr von Euch drohen könnte.«
Torkkinuuminaad sah verblüfft drein. Unvermittelt machte der Schamane der Metamorphen ein ganzes Repertoire heftiger Veränderungen seiner Gestalt durch, zog sich ungestüm zusammen und dehnte sich, und die Umrisse seines Körpers verschwammen und formierten sich mit erstaunlicher Schnelligkeit neu.
Aber auch die Archäologen, die Menschen, die beiden Ghayrogs und die kleine, dicht beisammen stehende Gruppe der Gestaltwandler, sahen Valentine an, als hätte er gerade etwas vollkommen Unverständliches gesagt. Selbst Tunigorn und Mirigant und Nascimonte waren fassungslos. Tunigorn wandte sich an Mirigant und sagte etwas, worauf Mirigant nur mit einem Achselzucken antwortete und Nascimonte, der in ihrer Nähe stand, ebenfalls vollkommen ratlos die Schultern zuckte.
Magadone Sambisa sagte mit heiserer Stimme: »Majestät? Ist das Euer Ernst? Sagtet Ihr nicht erst vor kurzer Zeit, daß es das beste sei, den Schrein ungeöffnet zu lassen?«
»Ich habe das gesagt? Ich?« Valentine schüttelte den Kopf. »O nein. Nein. Wie lange wird es dauern, bis Ihr damit anfangen könnt?«
»Nun . . . mal sehen . . .« Er hörte sie murmeln. »Die Aufzeichnungsgeräte, die Scheinwerfer, die Steinbohrer . . .« Sie verstummte, als würde sie die Auflistung im Geiste fortsetzen. Dann sagte sie: »Wir könnten in einer halben Stunde anfangen.«
»Gut. Dann machen wir uns ans Werk.«
»Nein! Das wird nicht geschehen!« kreischte Torkkinuuminaad - ein schriller Wutschrei.
»Es wird geschehen«, sagte Valentine. »Und Ihr werdet dabeisein und zusehen. Genau wie ich.« Er winkte Lisamon Hultin. »Sprich mit ihm, Lisamon. Mach ihm klar, daß es viel besser für ihn ist, wenn er ruhig bleibt.«
Magadone Sambisa sagte verwundert: »Ist das wirklich alles Euer Ernst, Pontifex?«
»O ja. Ja. Mein völliger Ernst.«
Der Tag schien hundert Stunden lang zu sein.
Eine verschlossene Grabungsstätte zu öffnen wäre schon unter normalen Umständen eine prekäre Angelegenheit gewesen. Aber in diesem Fall war sie so bedeutend, so mit symbolischer Bedeutung befrachtet, so explosiv in ihren möglichen politischen Folgen, daß jeder Arbeitsgang mit dreifacher Sorgfalt erledigt wurde.
Valentine selbst wartete im Anfangsstadium der Arbeit über der Erde. Man hatte ihm genau erklärt, was sie da unten machten: Sie verlegten Kabel für die Scheinwerfer und Lüftungsrohre für diejenigen, die die eigentlichen Ausgrabungsarbeiten durchführten; sie vergewisserten sich mit Ultraschallsonden, daß die Decke des Vorraums nicht einstürzen würde, wenn die Wand des Schreins geöffnet wurde; auch das Innere des Schreins selbst wurde einer Ultraschallsondierung unterzogen, um zu sehen, ob etwas Wichtiges unmittelbar an der Wand stand, das durch die Bohrung beschädigt werden konnte.
Das alles erforderte Stunden. Schließlich waren sie bereit, mit dem Einschnitt in die
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