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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Wasserkönige hatten sich mit Freuden den Piurivar des längst untergegangenen Velalisier ergeben, um sich abschlachten zu lassen. Die Schlächter selbst hatten vielleicht gewußt, was sie taten, aber die einfachen Piurivar der umliegenden Provinzen nicht; und diese einfachen Piurivar hatten es daher als Schandtat bezeichnet, den Letzten König von Velalisier zum Tode verurteilt, die Siebte Pyramide zerschmettert und danach den Rest dieser großen Hauptstadt zerstört und sie für alle Zeiten mit einem Fluch belegt. Aber den Schrein dieser Zähne hatten sie nicht zu berühren gewagt.
    Valentine, der den Zahn hielt, wurde erneut Zeuge des Opfers. Nicht mit den gefesselten Meeresdrachen, die sich wütend aufbäumten, während sie dem Messer zum Opfer fielen, wie er es im Alptraum der vergangenen Nacht gesehen hatte. Nein. Er sah es jetzt als ruhige und heilige Zeremonie, bei der lebendes Fleisch heiter aufgegeben wurde. Und als die Messer blitzten, als die gewaltigen Meeresbewohner starben, als ihr dunkles Fleisch zu den riesigen Scheiterhaufen getragen wurde, um verbrannt zu werden, erscholl eine Klangwelle triumphaler Harmonie bis an die Grenzen des Universums.
    Er legte den Zahn hin und hob den anderen auf. Griff zu. Fühlte. Ergab sich seiner Macht.
    Diesmal war die Musik dissonanter. Die Vision, die ihn überkam, zeigte einen unbekannten Mann mittleren Alters in einem prunkvollen Kostüm antiker Machart, Kleidung, die eines Pontifex würdig war. Im rauchigen Licht einer flackernden Fackel schlich er eben den Gang vor diesem Raum entlang, wo sich gerade Magadone Sambisa und ihre Archäologen drängten. Valentine sah zu, wie der Pontifex aus längst vergangener Zeit sich der weißen, unbefleckten Mauer des Schreins näherte. Sah ihn die flache Hand dagegen drücken, als hoffte er, er könnte allein durch seine Kraft eindringen. Dann wandte er sich davon ab, winkte Arbeitern mit Spitzhacken und Spaten herbei und gab ihnen zu verstehen, daß sie die Mauer einreißen sollten.
    Eine Gestalt schälte sich aus der Dunkelheit, ein Gestaltwandler, groß und schlank, mit grimmiger Miene, der einen großen Schritt vorwärts machte und mit einer raschen, unaufhaltsamen Bewegung ein Messer von unten aufwärts in das Herz des Mannes im Brokatgewand eines Pontifex stieß . . .
     
    »Majestät, ich flehe Euch an!«
    Magadone Sambisas Stimme, voller Besorgnis.
    »Ja«, sagte Valentine im geistesabwesenden Tonfall eines Mannes, der in einem Traum verloren war. »Ich komme.«
    Vorläufig hatte er genug Visionen gehabt. Er legte die Fackel auf den Boden und richtete sie auf die Öffnung in der Wand, damit sie den Weg beleuchtete. Behutsam hob er die beiden Drachenzähne auf - ließ sie vorsichtig auf den Handflächen ruhen und achtete drauf, sie nur leicht zu berühren, um ihre Macht nicht zu aktivieren, da er ihnen seinen Geist nicht öffnen wollte - und kletterte aus dem Schrein hinaus.
    Magadone Sambisa sah ihn entsetzt an. »Ich hatte Euch gebeten, Majestät, keine Gegenstände in der Gruft zu berühren, nichts zu verändern, bis . . .«
    »Ja. Das weiß ich. Ihr werdet mir verzeihen, was ich getan habe.«
    Es war keine Bitte.
    Die Archäologen wichen vor ihm zurück und gaben ihm den Weg frei, als er zwischen ihnen hindurch zum Ausgang in die Oberwelt ging. Aller Augen waren auf die Gegenstände gerichtet, die auf Valentines Handflächen ruhten.
    »Bringt den Khivanivod zu mir«, sagte er leise zu Aarisiim. Das Tageslicht war fast verschwunden, die Ruinen nahmen das geheimnisvollere Äußere an, das nachts über sie kam, wenn der kalte Schein des Mondlichts über die Steintrümmer der uralten Stadt tanzte.
    Der Gestaltwandler eilte davon. Valentine hatte den Khivanivod nicht in der Nähe haben wollen, als der Schrein geöffnet wurde; und so war Torkkinuuminaad trotz seiner heftigen Proteste im Hauptquartier der Archäologen der Aufsicht von Valentines Leibwächtern übergeben worden. Zwei hünenhafte, zottelige Skandars brachten ihn nun herbei und hielten ihn an den Armen.
    Wut und Haß stiegen blubbernd von dem Schamanen auf wie schwarzes Gas aus einer brodelnden Marsch. Und als er in den zerklüfteten grünen Keil von einem Gesicht sah, spürte Valentine überdeutlich die uralte Magie dieser Welt, die Geheimnisse, die vom Anbeginn der zeitlosen nebligen Dämmerung Majipoors nach ihm griff, als die Gestaltwandler allein und ungestört über diesen großen Planeten der Wunder und Pracht gewandelt waren.
    Der Pontifex hielt die

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