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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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beiden Zähne der Meeresdrachen hoch.
    »Wißt Ihr, was das ist, Torkkinuuminaad?«
    Die gummiartigen Augenfalten wurden aufgerissen. Die schmalen Augen waren gelb vor Wut. »Ihr habt das schrecklichste aller Sakrilege begangen und werdet unter schrecklichsten Qualen sterben.«
    »Ihr wißt also, was das ist, hm?«
    »Sie sind das Heiligste vom Heiligen! Ihr müßt sie unverzüglich in den Schrein zurückbringen!«
    »Warum habt Ihr Dr. Huukaminaan töten lassen, Torkkinuuminaad?«
    Die einzige Antwort des Khivanivod war ein noch wütenderer und trotzigerer Blick.
    Er würde mich mit seiner Magie töten, wenn er könnte, dachte Valentine. Warum auch nicht? Ich weiß, was ich für Torkkinuuminaad bin. Denn ich bin der Kaiser von Majipoor und damit Majipoor selbst, und wenn ein Hieb unser aller Untergang bedeuten würde, dann würde er diesen Hieb führen.
    Ja. Valentine war die Verkörperung des Feindes in Person: Er gehörte zu denen, die vom Himmel gekommen waren und den Piurivar ihre Welt weggenommen hatten, die ihre eigenen riesigen Städte auf jungfräulichen Wäldern und Sümpfen gebaut hatten, die zu Milliarden ins empfindliche Geflecht des bebenden Netzes des Lebens der Piurivar eingedrungen waren. Und darum würde Torkkinuuminaad ihn töten, wenn er könnte, und indem er den Pontifex tötete, würde er, durch den Symbolgehalt der Magie, das ganze von Menschen beherrschte Majipoor töten.
    Aber Magie kann man mit Magie bekämpfen, dachte Valentine.
    »Ja, seht mich an«, sagte er zu dem Schamanen. »Seht mir genau in die Augen, Torkkinuuminaad!«
    Und schloß die Finger fest um die beiden Talismane, die er aus dem Schrein mitgebracht hatte.
    Die vereinte Kraft der beiden Zähne strömte mit schrecklicher Wucht in Valentine ein, als er den geistigen Kreis schloß. Er verspürte das gesamte Spektrum der Empfindungen gleichzeitig, nicht nur doppelt, sondern vielfach verstärkt. Dennoch hielt er sich aufrecht; er bündelte seine Konzentration zu schärfster Intensität; er zielte mit seinem Verstand auf den des Khivanivod.
    Schaute. Drang ein. Erforschte das Gedächtnis des Khivanivod und fand schnell, wonach er suchte.
     
    Mitternächtliche Dunkelheit. Ein Splitter Mondschein. Sterne funkeln am Himmel. Das gebauschte Zelt der Archäologen. Jemand kommt heraus, ein Piurivar, sehr dünn, der sich mit der Vorsicht des Alters bewegte.
    Ganz bestimmt Dr. Huukaminaan.
    Eine schlanke Gestalt steht wartend auf der Straße: ein anderer Metamorph, ebenfalls alt, genauso hager, zerlumpt und seltsam gekleidet.
    Das ist der Khivanivod. Der sich selbst mit seinem geistigen Auge betrachtet.
    Schattenhafte Gestalten bewegen sich hinter ihm, fünf, sechs, sieben. Allesamt Gestaltwandler. Dorfbewohner, wie es aussieht. Der alte Archäologe scheint sie nicht zu sehen. Er spricht mit dem Khivanivod; der Schamane gestikuliert, zeigt in eine Richtung. Es folgt eine Art Diskussion. Dr. Huukaminaan schüttelt den Kopf Weitere Gesten. Weitere Diskussionen. Zustimmende Gebärden. Alles scheint geklärt zu sein.
    Unter Valentines Blicken gehen der Khivanivod und Huukaminaan gemeinsam die Straße entlang, die ins Herz der Ruinen führt.
    Nun treten die Dorfbewohner aus den Schatten, die sie verborgen haben. Umzingeln den alten Mann; ergreifen ihn; halten ihm den Mund zu, damit er nicht schreit. Der Khivanivod kommt auf ihn zu.
    Der Khivanivod hat ein Messer.
    Valentine sah den Rest der Szene nicht. Wollte die monströse Zeremonie der Verstümmelung auf der Steinplattform nicht sehen, auch nicht das anschließende unheimliche Ritual in dem Tunnel, der zum Schrein des Untergangs führt, wo der Kopf des toten Mannes in den Alkoven gelegt wurde.
    Er löste den Griff um die beiden Meeresdrachenzähne und legte sie sehr behutsam neben sich auf den Boden.
    »Also«, sagte er zu dem Khivanivod, dessen Miene sich von kaum beherrschter Wut zu fast so etwas wie Resignation verwandelt hatte. »Ich glaube, wir brauchen uns nichts mehr vorzumachen. Warum habt Ihr Dr. Huukaminaan getötet?«
    »Weil er den Schrein geöffnet hätte.« Die Stimme des Khivanivod klang völlig tonlos, bar jeglicher Emotion.
    »Ja, natürlich. Aber Magadone Sambisa war ebenfalls dafür, ihn zu öffnen. Warum habt Ihr nicht statt dessen sie getötet?«
    »Er war einer von uns und ein Verräter«, sagte Torkkinuuminaad. »Sie war nicht wichtig. Und er war gefährlicher für unsere Sache. Wir wissen, daß sie daran gehindert worden wäre, den Schrein zu öffnen, wenn wir

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