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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Garten zu sehen, außer wachsenden Kohlköpfen und herumhüpfenden Sperlingen und ab und zu einen Falken am Himmel; und den Wind, der sanft durch die Wipfel der hohen Bäume jenseits der Gärten wehte.
    Der Türhüter kam zurück und sagte: »Komm, Irian, und lerne die Meister von Roke kennen.« Ihr Herz begann zu galoppieren wie ein Karrengaul. Sie folgte ihm durch ein Labyrinth von Korridoren zu einem Zimmer mit dunklen Wänden und einer Reihe hoher Spitzbogenfenster. Eine Gruppe Männer stand darin, und jeder einzelne drehte sich zu ihr um, als sie das Zimmer betrat.
    »Irian von Weg, meine Herren«, sagte der Türhüter. Sie schwiegen alle. Er winkte ihr, weiter in den Raum zu kommen. »Den Meister Verwandler hast du schon kennengelernt«, sagte er. Er nannte ihr die Namen der anderen, aber sie konnte sich nicht die Namen der Meisterschaften merken, abgesehen vom Kräutermeister - das war derjenige, den sie für den Gärtner gehalten hatte - und dem unter ihnen, der am jüngsten aussah, ein großer Mann mit strengem, schönem Gesicht, das aus dunklem Stein geschnitten zu sein schien - das war der Meister Gebieter. Er ergriff das Wort, als der Türhüter fertig war. »Eine Frau«, sagte er.
    Der Türhüter nickte einmal, milde wie immer.
    »Dafür hast du die neun zusammengerufen? Aus diesem und keinem andern Grund?«
    »Aus diesem und keinem andern Grund«, sagte der Türhüter.
    »Drachen wurden über dem Inneren Meer gesehen. Roke hat keinen Erzmagier, die Inseln keinen wahrhaft gekrönten König. Es gibt richtige Arbeit«, sagte der Gebieter, und seine Stimme war wie Stein, kalt und schwer. »Wann sollen wir sie tun?«
    Es folgte ein unbehagliches Schweigen, als der Türhüter nicht antwortete. Schließlich sagte ein kleiner Mann mit leuchtenden Augen, der eine rote Tunika unter dem Magiermantel trug: »Haben Sie diese Frau als Schülerin in das Haus gebracht, Meister Türhüter?«
    »Wenn ja, wäre es an Ihnen allen, die Entscheidung zu billigen oder abzulehnen«, sagte er.
    »Ist es so?« fragte der Mann in der roten Tunika und lächelte verhalten.
    »Meister Hand«, sagte der Türhüter, »sie hat gebeten, als Schülerin eintreten zu dürfen, und ich sah keinen Grund, es ihr zu verwehren.«
    »Allen Grund«, sagte der Gebieter.
    Ein Mann mit einer tiefen, klaren Stimme ergriff das Wort. »Nicht unsere persönliche Meinung ist hier ausschlaggebend, sondern das Gesetz von Roke, das zu befolgen wir geschworen haben.«
    »Ich bezweifle, daß sich der Türhüter leichtfertig darüber hinwegsetzen würde«, sagte einer von ihnen, den Irian nicht bemerkt hatte, bis er sich zu Wort meldete, obwohl er ein großer Mann war, weißhaarig, mit kräftigem Knochenbau und einem faltigen Gesicht. Im Gegensatz zu den anderen sah er sie an, während er sprach. »Ich bin Kurremkarmerruk«, sagte er zu ihr. »Als der Meister Namengeber hier gehe ich nach Gutdünken mit Namen um, meinen eigenen eingeschlossen. Wer hat dir deinen Namen gegeben, Irian?«
    »Die Hexe Rose aus unserem Dorf, Herr«, antwortete sie und blieb aufrecht stehen, auch wenn ihre Stimme sich schrill und brüchig anhörte.
    »Trägt sie einen falschen Namen?« fragte der Türhüter den Namengeber.
    Kurremkarmerruk schüttelte den Kopf. »Nein. Aber . . .«
    Der Gebieter, der mit dem Rücken zu ihnen gestanden hatte, dem kalten Kamin zugewandt, drehte sich zu ihnen um. »Die Namen, die Hexen einander geben, gehen uns hier nichts an«, sagte er. »Wenn Sie ein Interesse an dieser Frau haben, Türhüter, sollte ihm außerhalb dieser Wände nachgegangen werden - vor der Tür, die zu hüten Sie geschworen haben. Sie hat hier nichts zu suchen und wird es nie haben. Sie kann nur Verwirrung, Zwietracht und größere Schwäche unter uns bringen. Ich werde nicht mehr sprechen und in ihrer Gegenwart nichts mehr sagen. Die einzige Antwort auf einen offensichtlichen Irrtum ist Schweigen.«
    »Schweigen ist nicht genug, mein Herr«, sagte einer, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte. Für Irian sah er seltsam aus mit seiner blaßroten Haut, dem langen hellen Haar und den schmalen eisfarbenen Augen. Seine Ausdrucksweise war ebenfalls seltsam, steif und irgendwie deformiert. »Schweigen ist die Antwort auf alles und auf nichts«, sagte er.
    Der Gebieter hob das edle, dunkle Gesicht und sah durch das Zimmer zu dem blassen Mann, sagte aber nichts. Ohne ein weiteres Wort oder eine Geste drehte er sich wieder um und verließ den Raum. Als er langsam an Irian vorbeiging, wich

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