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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Elfenbein«, sagte sie, »das können wir tun. Wenn du es immer noch willst.«
    Er schüttelte nur wortlos den Kopf. Nach einer Weile konnte er wenigstens lachen. »Ich glaube, über diese . . . Möglichkeit sind wir hinaus . . .«
    Sie sah ihn ohne Bedauern, Vorwürfe oder Scham an.
    »Irian«, sagte er, und nun kam ihm ihr Name mühelos, süß und kühl wie Quellwasser über die Lippen. »Irian, du mußt folgendes tun, wenn du das Großhaus betreten willst . . .«
    3. Azver
    Er verabschiedete sich an der Straßenecke von ihr, einer schmalen, düsteren, irgendwie verschlagen aussehenden Straße, die zwischen konturlosen Mauern zu einer Holztür in einer höher gelegenen Mauer führte. Er hatte seinen Zauber an ihr gewirkt, und sie sah wie ein Mann aus, auch wenn sie sich nicht wie einer fühlte. Sie und Elfenbein nahmen einander in die Arme, denn schließlich waren sie Freunde und Gefährten gewesen, und er hatte das alles für sie getan. »Mut!« sagte er und ließ sie gehen. Sie ging die Straße hinauf und blieb vor der Tür stehen. Dort drehte sie sich um, aber er war fort.
    Sie klopfte.
    Nach einer Weile hörte sie einen Riegel klappern. Die Tür ging auf. Ein Mann mittleren Alters von gewöhnlichem Aussehen stand da. »Was kann ich für dich tun?« fragte er. Er lächelte nicht, aber seine Stimme war freundlich.
    »Sie können mich in das Großhaus einlassen, Sir.«
    »Kennst du den Weg herein?« Seine mandelförmigen Augen waren aufmerksam und schienen sie doch aus Meilen oder Jahren Entfernung anzusehen.
    »Dies ist der Weg hinein, Sir.«
    »Weißt du, welchen Namen du mir sagen mußt, bevor ich dich einlasse?«
    »Meinen eigenen: Irian.«
    »Tatsächlich?« sagte er.
    Das machte sie stutzig. Sie schwieg abwartend. »Es ist der Name, den mir die Hexe Rose aus meinem Dorf auf Weg im Frühling unter dem Iriaberg gegeben hat«, sagte sie schließlich und sprach aufrecht die Wahrheit.
    Der Türhüter sah sie eine Weile an, die ihr lange vorkam. »Dann ist es dein Name«, sagte er. »Aber vielleicht nicht dein ganzer Name. Ich glaube, du hast noch einen.«
    »Den kenne ich nicht, Sir.«
    Nach einer weiteren langen Pause sagte sie: »Vielleicht kann ich ihn hier lernen, Sir.«
    Der Türhüter verneigte sich ein wenig. Ein sehr schwaches Lächeln zauberte sichelförmige Kurven auf seine Wangen. Er trat beiseite. »Komm herein, Tochter«, sagte er.
    Sie trat über die Schwelle des Großhauses.
    Elfenbeins Ähnlichkeitszauber fiel von ihr ab wie ein Spinnennetz. Sie war wieder sie selbst und sah auch so aus.
    Sie folgte dem Türhüter einen Durchgang aus Stein hinab. Erst am Ende dachte sie daran, sich umzudrehen und zu sehen, wie das Licht durch die tausend Blätter des in die hohe Tür mit ihrem weißen Hornrahmen geschnitzten Baums fiel.
    Ein junger Mann in grauem Mantel, der den Gang entlang geeilt kam, blieb ruckartig stehen, als er sie sah. Er starrte Irian an; dann ging er mit einem kurzen Nicken weiter. Sie drehte sich nach ihm um. Er hatte sich nach ihr umgedreht.
    Eine Kugel aus dunstigem grünem Licht schwebte in Augenhöhe rasch den Flur entlang und folgte dem jungen Mann offenbar. Der Türhüter winkte mit einer Hand danach, und die Kugel wich ihm aus. Irian sprang beiseite und duckte sich hastig, spürte aber dennoch, wie das kalte Feuer in ihrem Haar kribbelte, als es über sie hinweg schwebte. Die Türhüter hatte sich zu ihr umgeschaut, und nun war sein Lächeln breiter. Auch wenn er nichts sagte, spürte sie, daß er auf sie achtete, um sie besorgt war. Sie stand auf und folgte ihm.
    Vor einer Eichentür blieb er stehen. Anstatt zu klopfen, skizzierte er mit der Spitze seines Stabs, eines leichten Stabs aus einem grauen Holz, ein kleines Zeichen oder eine Rune darauf. Die Tür ging auf, als eine tiefe Stimme dahinter sagte: »Herein!«
    »Warte hier bitte einen Moment, Irian«, sagte der Türhüter und ging in das Zimmer, ließ die Tür hinter sich aber weit offen. Sie konnte Bücherregale sehen, einen Tisch mit weiteren Bücherstapeln, Tintenfässern und Schriftrollen, zwei oder drei Jungen, die an dem Tisch saßen, und den grauhaarigen, gedrungenen Mann, mit dem der Türhüter sprach. Sie sah, wie sich der Gesichtsausdruck des Mannes veränderte, wie er einen kurzen, verblüfften Blick auf sie warf, wie er dem Türhüter mit leiser, nachdrücklicher Stimme Fragen stellte.
    Sie kamen beide zu ihr. »Der Meister Verwandler von Roke - Irian von Weg«, sagte der Türhüter.
    Der Meister Verwandler

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