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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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erfahren, was auf Ungehorsam folgt.«
    Sie streckte sich, war fast so groß wie er und ebenso aufrecht. Eine ganze Minute schwieg sie, und dann sagte sie mit hoher, schroffer Stimme: »Komm auf den Hügel, Thorion.«
    Sie ließ ihn an der Gabelung stehen, auf ebener Erde, und ging ein paar Schritte den Pfad zum Gipfel hinauf. Sie drehte sich um und sah zu ihm hinunter. »Was hält dich vom Hügel fern?« fragte sie.
    Die Luft um sie herum wurde dunkler. Der Westen war nur noch eine dunkelrote Linie, der Himmel im Osten ein Schatten über dem Meer.
    Der Gebieter schaute zu Irian auf. Langsam hob er die Arme und den weißen Stab zu einem Zauberspruch, den er in der Sprache ihrer Kunst sprach, der Sprache des Schöpfens, die alle Zauberer und Magier von Roke gelernt hatten: »Irian, durch deinen Namen gebiete ich dir und verpflichte dich, mir zu gehorchen!«
    Sie zögerte, schien einen Moment nachzugeben, zu ihm zu kommen, und rief dann aus: »Ich bin nicht nur Irian!«
    Daraufhin rannte der Gebieter zu ihr hinauf, streckte die Hand aus und sprang auf sie zu, als wollte er sie packen und festhalten. Sie waren jetzt beide auf dem Hügel. Sie ragte unglaublich über ihm auf, Feuer loderte zwischen ihnen, eine gleißende rote Flamme in der Nachtluft, das Glänzen von rotgoldenen Schuppen, von gewaltigen Schwingen - dann verschwand es, und es war nichts mehr da, außer einer Frau auf dem Hügelpfad und dem großen Mann, der sich vor ihr verbeugte, langsam bis zum Erdboden verbeugte, und sich flach hinlegte.
    Der Kräutermeister, der Heiler, bewegte sich als erster. Er ging den Weg hinauf und kniete neben Thorion nieder. »Mein Herr«, sagte er, »mein Freund.«
    Unter der Wölbung des grauen Mantels fanden seine Hände nur einen wirren Haufen Kleidungsstücke und trockene Knochen und einen zerbrochenen Stab.
    »Es ist besser so, Thorion«, sagte er, aber er weinte.
    Der alte Namengeber trat vor und sagte zu der Frau auf dem Hügel: »Wer bist du?«
    »Ich kenne meinen anderen Namen nicht«, sagte sie. Sie sagte es wie er, wie sie mit dem Gebieter gesprochen hatte, in der Sprache des Schöpfens, der Sprache der Drachen.
    Sie wandte sich ab und ging den Hügel hinauf.
    »Irian«, sagte Azver der Formgeber, »wirst du zu uns zurückkommen?«
    Sie blieb stehen und ließ ihn zu sich kommen. »Das werde ich, wenn ihr mich ruft«, sagte sie.
    Sie streckte den Arm aus und berührte seine Hand. Er holte zischend Luft.
    »Wohin gehst du?« fragte er.
    »Zu denen, die mir meinen Namen geben werden«, sagte sie. »In Feuer, nicht in Wasser. Zu meinem Volk.«
    »In den Westen«, sagte er.
    Sie sagte: »Jenseits des Westens.«
    Sie wandte sich von ihm ab und ging in der zunehmenden Dunkelheit den Weg hinauf. Als sie sich weiter von ihnen entfernte, sahen sie sie, die großen goldenen Flanken, den spitzen, zuckenden Schwanz, die Klauen und den Atem, der loderndes Feuer war. Auf der Kuppe des Kogels verweilte sie einen Moment, drehte den länglichen Kopf und blickte über die Insel Roke, am längsten zum Hain, jetzt nur noch ein dunkler, verschwommener Schatten in der Dunkelheit. Dann wurden die breiten, hautigen Schwingen mit einem Rasseln wie von Messingstücken ausgebreitet, und der Drache schwang sich in die Lüfte, umkreiste den Kogel von Roke einmal und flog davon.
    Eine Flammenlocke, ein Rauchwölkchen schwebten aus der dunklen Luft herab.
    Azver der Formgeber hielt sich die rechte Hand mit der linken, wo ihre Berührung ihn verbrannt hatte. Er sah den Hügel hinab zu den Männern, die stumm dastanden und dem Drachen nachstarrten. »Nun, meine Freunde«, sagte er, »was nun?«
    Nur der Türhüter antwortete. Er sagte: »Ich denke, wir sollten in unser Haus gehen und die Türen öffnen.«

Die Chronik von Osten Ard
    TAD WILLIAMS

D ER D RACHENBEINTHRON (1991)
    D ER A BSCHIEDSSTEIN (1993)
    D IE N ORNENKÖNIGIN (1994)
    D ER E NGELSTURM (1994)
     
    Tad Williams´ Tetralogie spielt im ganzen Land Osten Ard, von den Marschen des südlichen Wran bis Yiqanuc, der eisigen nördlichen Heimat der Trolle, aber hauptsächlich in der großen, hohen Festung, die Hochhorst genannt wird.
    Die Geschichte beginnt, als der Tod von Priester Johan, dem mächtigen Menschenkönig, der viele Jahre lang Herr über das Schloß war und sein Reich von Erkynland aus ständig vergrößert hatte, so daß er fast alle Nationen von Osten Ard regierte, einen Zwist unter seinen königlichen Söhnen auslöst - einen Krieg, der schließlich die ganze Welt an den Rand

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