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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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den vieren machte nur der Türhüter eine Bewegung und sprach. Er trat vor und sah von einem jungen Mann zum nächsten. »Ihr habt mir vertraut«, sagte er, »und mir eure Namen verraten. Werdet ihr mir jetzt vertrauen?«
    »Mein Herr«, sagte einer von ihnen mit einem feingeschnittenen, dunklen Gesicht und dem Eichenstab eines Magiers, »wir vertrauen Ihnen und bitten Sie daher, die Hexe gehen zu lassen, damit wieder Frieden einkehrt.«
    Irian trat dazwischen, bevor der Türhüter antworten konnte.
    »Ich bin keine Hexe«, sagte sie. Nach den tiefen Stimmen der Männer klang ihre Stimme schrill, metallisch. »Ich besitze keine Kunst. Kein Wissen. Ich bin hergekommen, um zu lernen.«
    »Wir unterrichten hier keine Frauen«, sagte der Windschlüssel. »Das weißt du.«
    »Ich weiß nichts«, sagte Irian. Sie trat wieder vor und wandte sich direkt an den Magier. »Sagen Sie mir, wer ich bin.«
    »Lerne, wo dein Platz ist, Frau«, antwortete der Magier voll kalter Leidenschaft.
    »Mein Platz«, sagte sie langsam und verschleppte die Worte, »mein Platz ist auf dem Hügel. Wo die Dinge sind, wie sie sind. Sagen Sie dem toten Mann, dort werde ich ihn treffen.«
    Der Windschlüssel schwieg, aber die Gruppe der Männer murmelte wütend, und einige rückten vor. Azver stellte sich zwischen Irian und die Gruppe, da ihre Worte ihn von der geistigen und körperlichen Lähmung befreit hatten, die über ihn gekommen war. »Sagt Thorion, wir erwarten ihn auf dem Kogel von Roke«, sagte er. »Wenn er kommt, werden wir dasein. Jetzt komm mit mir«, wandte er sich an Irian. Der Namengeber, der Türhüter und der Kräutermeister folgten ihm mit ihr in den Hain. Dort tat sich ein Weg für sie auf. Aber als einige der jungen Männer ihnen folgen wollten, war kein Weg mehr da.
    »Kommt mit zurück«, sagte der Windschlüssel zu den Männern.
    Sie drehten sich unsicher um. Die tiefstehende Sonne schien immer noch hell auf die Felder und die Dächer des Großhauses, aber im Wald herrschten nur Schatten.
    »Hexerei«, sagten sie, »Sakrileg, Entweihung.«
    »Kommt am besten da weg«, sagte der Meister Windschlüssel mit verkniffenem und ernstem Gesicht, und seine scharfen Augen blickten bekümmert. Er ging zur Schule zurück, und sie schlossen sich ihm an und stritten und diskutierten frustriert und zornig.
     
    Sie waren nicht weit in das Wäldchen vorgedrungen und immer noch am Bach, als Irian stehenblieb, sich abwandte und bei den gewaltigen, knorrigen Wurzeln einer Weide niederkauerte, die über die Wasseroberfläche ragte. Die vier Magier blieben auf dem Weg stehen.
    »Sie sprach mit dem anderen Atem«, sagte Azver.
    Der Namengeber nickte.
    »Also müssen wir ihr folgen?« fragte der Kräutermeister.
    Diesmal nickte der Türhüter. Er lächelte zaghaft und sagte: »So scheint es.«
    »Nun gut«, sagte der Kräutermeister mit seiner geduldigen, besorgten Miene; und er ging ein Stück beiseite, um eine kleine Pflanze oder einen Pilz auf dem Waldboden in Augenschein zu nehmen.
    Die Zeit verging wie immer in dem Hain, scheinbar ohne zu vergehen, und doch verging sie, der Tag verrann mit einigen leisen Atemzügen, einem Erbeben von Blättern, einem Vogel, der weit entfernt sang, und einem anderen, der noch weiter entfernt antwortete. Irian stand langsam auf. Sie sagte nichts, sondern sah den Weg entlang und ging ihn dann hinunter. Die vier Männer folgten ihr.
    Sie kamen in die ruhige, klare Abendluft hinaus. Im Westen herrschte noch etwas Licht, als sie den Thwilbach überquerten und über die Felder zum Kogel von Roke gingen, der sich als hoher, dunkler Bogen vor ihnen vom Himmel abhob.
    »Sie kommen«, sagte der Türhüter. Vom Großhaus kamen Männer auf dem Weg durch die Gärten näher, alle Magier und viele Schüler. Der hochgewachsene Thorion, der Gebieter in seinem grauen Mantel, war ihr Anführer, der einen Stab aus Holz trug, weiß wie ein Knochen, von einem schwachen Leuchten von Werlicht umflackert.
    Wo sich die beiden Wege vereinten und zur Anhöhe des Kogel hinaufführten, blieb Thorion stehen und wartete auf sie. Irian ging weiter und trat ihm entgegen.
    »Irian von Weg«, sagte der Gebieter mit seiner tiefen, klaren Stimme, »damit Friede und Ordnung herrschen, und um des Gleichgewichts aller Dinge willen, gebiete ich dir nun, diese Insel zu verlassen. Wir können dir nicht geben, was du suchst, und dafür bitten wir dich um Verzeihung. Aber wenn du danach trachtest, hier zu bleiben, verwirkst du die Verzeihung und mußt

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