Der siebte Schrein
aber sie hatten die Läuferstationen eingerichtet, als es während des Ersten Sporenregens erforderlich geworden war, Nachrichten schnell zu übermitteln. Läufer waren imstande gewesen, sich in eine Art Trance zu versetzen, die ihnen nicht nur ermöglichte, weite Strecken zurückzulegen, sondern sie darüber hinaus in Schneestürmen und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt warm hielt. Außerdem hatten sie die ersten Wege angelegt, deren Netz heute den gesamten Kontinent überzog.
Zwar konnten nur Festungsherren und Handwerksmeister es sich leisten, Lauftiere für ihre Kuriere zu halten, aber auch dem Normalbürger, der irgendwo auf Pern mit Gildenhallen, Verwandten oder Freunden Verbindung aufnehmen wollte, war es möglich, einen Brief in den Kurierbeuteln zu versenden, die von Station zu Station befördert wurden. Andere sprachen vielleicht von Halteplätzen, aber Läufer hatten in der Geschichte ihres Gewerbes immer schon »Stationen« und »Stationsleiter« gehabt. Trommelbotschaften waren großartig für kurze Nachrichten, wenn das Wetter gut war und der Wind den Takt nicht unterbrach, aber solange die Leute geschriebene Nachrichten schicken wollten, würde es Läufer und Läuferinnen geben, die sie überbrachten.
Tenna dachte häufig stolz an die Tradition, die sie weiterführte. Das spendete ihr Trost auf den langen, einsamen Reisen. Im Augenblick war gut zu laufen: Der Boden war fest, aber federnd, eine Oberfläche, die penibel in Ordnung gehalten wurde, seit die frühesten Läufer sie angelegt hatten. Der moosige Untergrund erleichterte nicht nur das Laufen, er machte auch den Pfad kenntlich. Ein Läufer würde sofort den Unterschied in der Oberfläche bemerken, wenn er - oder sie - vom Weg abkam.
Langsam zeichnete sich ihr Weg im Mondlicht ab, als der volle Belior aufging, und sie beschleunigte ihren Schritt, lief anmutig, atmete frei, hielt die Hände hoch, die Brust nach außen gepreßt, die Ellbogen angewinkelt. Es war nicht erforderlich, eine »Bremse« zu setzen, wie ihr Vater es nannte, um den Wind einzufangen und das Tempo zu verlangsamen. In Augenblicken wie diesem, mit gutem Untergrund, annehmbarem Licht und einem kühlen Abend, kam es einem vor, als könnte man ewig laufen. Wenn nicht das Meer da wäre, einen aufzuhalten.
Sie lief weiter, weil sie den Verlauf des Grats sehen konnte, und als es wieder bergab ging, stand Belior hoch genug, ihren Weg zu beleuchten. Sie sah den Bach vor sich und wurde vorsichtig langsamer - obwohl man ihr gesagt hatte, daß die Furt eine gute Kiesoberfläche besaß -, und platschte durch das knöchelhohe kalte Wasser, am Ufer hinauf, bog ein wenig nach Süden und fand den Pfad dank der federnden Oberfläche wieder.
Inzwischen sollte sie mehr als die Hälfte des Wegs zur Burg Fort zurückgelegt haben und dürfte es bis zur Dämmerung schaffen. Dies war eine vielbereiste Route, südwestlich an der Küste entlang zu den weiter entfernten Burgen. Der größte Teil dessen, was sie gerade transportierte, war für Bewohner der Burg Fort bestimmt, also war dort das Ende der Strecke sowohl für den Beutel als auch für sie. Sie hatte soviel über die Anlage in Fort gehört, daß sie es kaum glauben konnte. Läufer neigten mehr zu Unter- als zu Übertreibungen. Wenn ein Läufer einem sagte, daß ein Weg gefährlich war, dann glaubte man ihm! Aber was sie über Fort sagten, war wahrhaft erstaunlich.
Tenna stammte aus einer Familie von Läufern: Vater, Onkel, Vettern, Großväter, Brüder, Schwestern und zwei Tanten waren allesamt auf den Pfaden unterwegs, die Pern vom Gipfel Nerat bis zum Hochland, von Benden bis Boll verbanden.
»Es liegt in unserm Erbgut«, hatte ihre Mutter als Antwort auf die Fragen ihrer jüngeren Kinder gesagt. Cesila leitete eine große Läuferstation bei Lemos, am nördlichen Ende der Ebene von Keroon, wo die riesigen Himmelsbesen standen, seltsame Bäume, die nur in jener Region von Pern wuchsen. Bäume, dessen war eine jüngere Tenna sicher gewesen, wo die Drachen vom Benden-Weyr auf ihrem Flug über den Kontinent Rast machten. Cesila hatte über Tennas Vorstellung gelacht.
»Die Drachen von Pern müssen nirgendwo ausruhen, Liebes. Sie gehen einfach unter dem Fliegen dorthin, wohin sie müssen. Wahrscheinlich hast du ein paar gesehen, wie sie ihre wöchentliche Mahlzeit gejagt haben.«
In ihrer Zeit als Läuferin hatte Cesila neun ganze Überquerungen während eines Planetenumlaufs gemacht, bis sie einen anderen Läufer geheiratet und
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