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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Fleisch gar sein würde.
    Sein Körper wollte unbedingt schlafen, aber Roland blieb noch schätzungsweise eine Stunde wach, dann holte er einen der Halme unter dem Kissen hervor. Mit der frischen Infusion ihrer Kann-mich-nicht-bewegen-Medizin in seinem Körper kostete ihn das größte Anstrengung, und er war nicht sicher, ob es ihm überhaupt gelungen wäre, hätte er nicht in weiser Voraussicht diesen einen Halm aus dem Band herausgezogen gehabt, das die anderen zusammenhielt. Morgen nacht, hatte in Jennas Nachricht gestanden. Wenn das Flucht bedeutete, war allein die Vorstellung lächerlich. Wie er sich im Augenblick fühlte, hätte er bis ans Ende der Zeit in diesem Bett liegen bleiben können.
    Er kaute. Energie strömte in seinen Körper, verkrampfte seine Muskeln und beschleunigte seinen Herzschlag, aber der Anfall von Vitalität verflog fast so schnell, wie er gekommen war, und wurde unter der stärkeren Droge der Schwestern begraben. Er konnte nur hoffen . . . und schlafen.
    Als er erwachte, war es völlig dunkel, und er stellte fest, daß er Arme und Beine fast normal in dem Netz der Schlingen bewegen konnte. Er zog einen Halm unter dem Kissen hervor und kaute bedächtig. Sie hatte ihm ein halbes Dutzend dagelassen, und die ersten beiden waren inzwischen fast völlig verzehrt.
    Der Revolvermann schob den Stiel wieder unter das Kissen und fing an zu erschauern wie ein nasser Hund in einem Wolkenbruch. Ich habe zuviel genommen, dachte er. Ich kann mich glücklich schätzen, wenn ich keine Krämpfe -
    Sein Herz raste wie ein überdrehter Motor. Und um alles noch schlimmer zu machen, sah er Kerzenschein am anderen Ende des Mittelgangs. Einen Moment später hörte er das Rascheln ihrer Gewänder und das Wischen ihrer Schuhe auf dem Boden.
    Götter, warum jetzt? Sie werden mich zittern sehen, sie werden merken -
    Roland beschwor jedes Quentchen Willenskraft und Selbstbeherrschung, das er mobilisieren konnte, schloß die Augen und konzentrierte sich darauf, seine zuckenden Gliedmaßen zu beruhigen. Wenn er nur im Bett gewesen wäre, statt in diesen verdammten Schlingen, die bei jeder seiner Bewegungen wie aus eigenem Antrieb zu beben schienen!
    Die Kleinen Schwestern rückten näher. Das Licht ihrer Kerzen erblühte rötlich hinter Rolands geschlossenen Lidern. Heute nacht kicherten sie nicht, tuschelten nicht miteinander. Erst als sie fast bei ihm waren, fiel Roland der Fremde in ihrer Mitte auf - ein Geschöpf, das mit tiefen, verschleimten Atemzügen Luft durch den Rotz in seiner Nase sog.
    Der Revolvermann hielt die Augen geschlossen und hatte das schlimmste Zucken seiner Arme und Beine unter Kontrolle, aber seine Muskeln waren immer noch knotig und verkrampft und pulsierten unter der Haut. Jeder, der ihn aus der Nähe ansah, würde sofort bemerken, daß etwas nicht mit ihm stimmte. Sein Herzschlag raste unkontrolliert wie ein Pferd unter der Peitsche, sie mußten doch bestimmt sehen -
    Aber sie sahen nicht ihn an - jedenfalls noch nicht.
    »Nimm es ihm ab«, sagte Mary. Sie sprach in einer verballhornten Version der Niedersprache, die Roland kaum verstehen konnte. »Dann ´em annern. Los doch, Ralph.«
    »Sach, hasse Whik-sky?« fragte der Verschleimte in einem noch unverständlicheren Dialekt als Mary. »Sach, hasse ´backy?«
    »Ja, ja, Menge Whiskey und Menge zu rauchen, aber erst, wenn du diese vermaledeiten Dinger abgenommen hast!« Ungeduldig. Vielleicht auch ängstlich.
    Roland drehte vorsichtig den Kopf nach links und öffnete die Augen einen Spalt.
    Fünf der sechs Kleinen Schwestern von Eluria scharten sich auf der anderen Seite von John Normans Bett und hielten die Kerzen hoch, damit ihr Licht auf ihn fiel. Die Kerzen warfen auch Licht auf ihre eigenen Gesichter, die dem stärksten Mann Alpträume verschafft hätten. In der Schwärze der Nacht hatten sie jedem äußeren Anschein abgeschworen und waren nichts weiter als uralte Kadaver in wallenden Gewändern.
    Schwester Mary hatte einen von Rolands Revolvern in der Hand. Als er sah, daß sie ihn hielt, verspürte Roland lodernden Haß auf sie und schwor sich, daß sie für ihre Anmaßung bezahlen würde.
    So seltsam es war, aber das Ding, das am Fußende des Betts stand, sah im Vergleich zu den Schwestern fast normal aus. Es war einer vom grünen Volk. Roland erkannte Ralph sofort. Es würde lange Zeit dauern, bis er diesen Bowler vergaß.
    Nun ging Ralph langsam um Normans Bett herum und nahm Roland vorübergehend die Sicht auf die Schwestern. Der

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