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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Mutie ging jedoch bis zu Normans Kopf, so daß Roland die Vetteln wieder durch die kaum geöffneten Lider sehen konnte.
    Normans Medaillon war entblößt - möglicherweise war der Junge soweit wach geworden, daß er es aus dem Nachthemd gezogen hatte, weil er hoffte, daß es ihn auf diese Weise besser schützen würde. Ralph nahm es in seine Hände, die wie geschmolzenes Wachs aussahen. Die Schwestern verfolgten im Schein ihrer Kerzen erwartungsvoll, wie der grüne Mann es bis ans Ende der Kette zog . . . und dann wieder hinlegte. Ihre Gesichter wurden lang vor Enttäuschung.
    »So was kann ich nich´ brauchen«, sagte Ralph mit seiner verschleimten Stimme. »Will Whik-sky! Will ´backy!«
    »Wirst du bekommen«, sagte Schwester Mary. »Genug für dich und deinen ganzen verlausten Klan. Aber zuerst mußt du ihm dieses gräßliche Ding abnehmen! Ihnen beiden! Hast du verstanden? Und du sollst uns nicht verspotten.«
    »Oder was?« fragte Ralph. Er lachte. Es war ein ersticktes und gurgelndes Geräusch, das Lachen eines Mannes, der an einer schrecklichen Hals- und Lungenkrankheit zugrunde geht, aber Roland gefiel es trotzdem besser als das Kichern der Schwestern. »Oder was, Schwessa Mary, sonst wirsde mein Bluid trinken? Mit mei´m Bluid würsde tot umfall´n wode stehs un im Dunkeln leuchten!«
    Mary hob den Revolver des Revolvermanns und richtete ihn auf Ralph. »Nimm das vermaledeite Ding ab, oder du wirst tot umfallen, wo du stehst.«
    »Und wahrscheinlich sowieso sterben, wenn ich getan hab, wasde wills.«
    Darauf sagte Schwester Mary nichts. Die anderen sahen ihn mit ihren schwarzen Augen an.
    Ralph senkte den Kopf und schien nachzudenken. Roland vermutete, daß sein Freund Bowler auch tatsächlich denken konnte. Schwester Mary und ihre Kohorten mochten das nicht glauben, aber Ralph mußte gerissen sein, wenn er so lange überlebt hatte. Doch als er hierherkam, hatte er natürlich nicht an Rolands Waffen gedacht.
    »War falsch von Klopfer, euch die Schießer zu geb´n«, sagte er schließlich. »Ohne mir was zu sag´n. Habter ihm Whik-sky dafür geben? Und ´backy?«
    »Geht dich nix an«, antwortete Schwester Mary. »Du nimmst sofort dieses Goldding vom Hals des Jungen, oder ich schieße dir eine von den Kugeln jenes Mannes in den verkümmerten Rest deines Gehirns.«
    »Na gut«, sagte Ralph. »Wie du willst, Sai.«
    Wieder griff er nach unten und nahm das Goldmedaillon in seine geschmolzene Faust. Das machte er langsam; was danach geschah, geschah schnell. Er zerrte daran, zerriß die Kette und warf das Gold achtlos in die Dunkelheit. Mit der anderen Hand stieß er nach unten, schlug die langen und abgebrochenen Fingernägel in John Normans Hals und riß ihn auf.
    Blut, das im Licht der Kerzen mehr schwarz als rot aussah, spritzte im Rhythmus des Herzschlags als kräftiger Strahl aus der Wunde des unglückseligen Jungen, der einen einzigen blubbernden Schrei ausstieß. Die Frauen schrien - aber nicht vor Entsetzen. Sie schrien wie Frauen in rasender Erregung. Der grüne Mann war vergessen; Roland war vergessen; alles war vergessen, abgesehen von dem Blut, das aus John Normans Hals spritzte.
    Sie ließen ihre Kerzen fallen. Mary warf Rolands Revolver auf dieselbe achtlose Weise weg. Als letztes sah der Revolvermann, während Ralph sich in die Schatten flüchtete (Whiskey und Tabak ein andermal, schien sich der gerissene Ralph zu denken; heute nacht konzentrierte er sich am besten ganz darauf, sein eigenes Leben zu retten), wie die Schwestern sich vorbeugten, um soviel wie möglich von dem Strahl abzubekommen, bevor er versiegte.
    Roland lag mit bebenden Muskeln und klopfendem Herzen in der Dunkelheit und hörte den Harpyien zu, wie sie sich an dem Jungen labten, der im Bett neben ihm lag. Es schien ewig zu dauern, aber schließlich waren sie mit ihm fertig. Die Schwestern zündeten ihre Kerzen wieder an und entfernten sich murmelnd.
    Als die Droge in der Suppe wieder die Oberhand über die Droge im Riedgras gewann, war Roland dankbar . . . aber zum erstenmal, seit er hierhergekommen war, wurde sein Schlaf von Alpträumen heimgesucht.
    In seinem Traum sah er auf den aufgeblähten Leichnam im Trog in der Stadt hinunter und dachte an einen Eintrag in dem Buch mit der Aufschrift REGISTER VON MISSETATEN & WIEDERGUTMACHUNG. Grünes Volk von hinnen geschickt, hatte da gestanden, und möglicherweise war das grüne Volk von hinnen geschickt worden, aber dann war ein schlimmerer Stamm gekommen. Die Kleinen Schwestern von

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