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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Respekt in der Station verlieren. Sie holte tief Luft. Würde es genügen, ihm ein Bein zu stellen? Zumindest auf persönlicher Ebene. Da der Heiler ihre Verletzungen bezeugen konnte, würde ihm immer noch eine Anklage wegen fahrlässigen Verhaltens blühen. Und die Verletzungen hatten sie eindeutig drei Tage am Laufen gehindert - Einkommenseinbuße.
    »Oh!« sagte sie, als sie am Stand der Weberhalle Stoffe ausgestellt sah: leuchtende Farben und Blumenmuster, aber auch Streifen in grellen und gedämpften Farben. Sie verschränkte die Arme hinter dem Rücken, weil der Drang, den Stoff zu befühlen, fast übermächtig war.
    Cleve rümpfte die Nase. »Das ist das Material von Felishas Halle.«
    »Oh, das Rot ist erstaunlich . . .«
    »Ja, es ist eine gute Halle . . .«
    »Trotz ihr?« Tenna kicherte über seine widerwillige Anerkennung.
    »Ja . . .« Und er grinste reumütig.
    Sie kamen am Stand des Glaserhandwerks vorbei: Spiegel mit verschnörkelten Rahmen und Rahmen aus schlichtem Holz, Kelche und Trinkgläser in allen Formen und Farben, Krüge in allen Größen.
    Tenna sah ihr Spiegelbild und hätte sich fast nicht erkannt, wenn Cleve nicht neben ihr gestanden hätte. Sie reckte die Schultern und lächelte dem fremden Mädchen im Spiegel zu.
    Der nächste Stand bot eine große Ausstellung der Schneiderhalle mit fertigen Textilien in verlockender Vielfalt: Kleider, Hemden, Hosen und intimere Kleidungsstücke - verführerische Waren, ohne Zweifel, und entsprechend drängten sich die Käufer.
    »Warum ist Rosa noch nicht hier?« fragte Cleve, der über die Schulter zur Station sah, die sichtbar bleiben würde, bis sie um die Ecke gingen.
    »Nun, sie wollte besonders schön für dich aussehen«, sagte Tenna.
    Cleve grinste. »Sie sieht immer schön aus!« Und plötzlich wurde er rot.
    »Sie ist ein sehr freundliches und aufmerksames Mädchen«, sagte Tenna aufrichtig.
    »Ah, da sind wir ja«, sagte er und zeigte zu den Häuten, die in einem Stand an der Ecke des Platzes ausgestellt waren. »Aber ich glaube, es gibt mehrere Stände. Die Zusammenkünfte von Fort sind groß genug, daß sie eine Menge Handwerkshallen anlocken. Sehen wir uns erst das gesamte Angebot an. Kannst du gut feilschen? Wenn nicht, sollten wir es Rosa überlassen. Sie kann das sehr gut. Und alle würden wissen, daß sie es ernst meint. Du bist unbekannt, da könnten sie glauben, sie können dich übers Ohr hauen.«
    Tenna grinste verschlagen. »Ich versichere dir, ich habe vor, das Beste für mein Geld zu bekommen.«
    »Dann sollte ich dir nicht beibringen, wie man auf Wegen läuft, oder?« fragte Cleve mit einem Anflug von Zerknirschung in der Stimme.
    Tenna lächelte ihn an und schlenderte ziellos an dem Lederstand vorbei. In dem Moment holte Rosa sie ein und gab Tenna einen Kuß, als hätten sie sich nicht vor fünfzehn Minuten erst gesehen. Cleve legte Rosa einen Arm um die Schultern und flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie kichern mußte. Andere potentielle Käufer gingen um die drei herum, die mitten in dem breiten Gang standen. Tenna hatte nichts dagegen einzuwenden, die Lederwaren zu begutachten, ohne daß es danach aussah. Der fahrende Händler hinter dem Tresen tat so, als würde er nicht sehen, wie sie seine Waren nicht ansah. Außerdem versuchte sie, Haligon in der Menge der Leute zu entdecken, die über den Hof schlenderten.
    Als sie ihren ersten Rundgang über den Platz beendet hatten, war es fast unmöglich geworden, durch die Menge zu kommen. Aber eine ordentliche Menschenmenge gehörte nun mal zu einer Zusammenkunft, und das Läufertrio genoß die Atmosphäre. Sie verbrachten soviel Stunden mit einer Arbeit, die einsam und zeitraubend war, und obendrein meistens dann geleistet wurde, wenn andere schon ihr Tagwerk getan hatten und mit Freunden oder der Familie beisammen saßen. Sicher, sie hatten die beständige Befriedigung zu wissen, daß sie einen wichtigen Dienst verrichteten, aber daran dachte man nicht, wenn man durch kalten Regen lief oder sich bei heftigem Gegenwind abquälte. Da dachte man mehr daran, was man nicht hatte und was einem entging.
    Erfrischungsstände boten alle Arten von Getränken und Leckereien feil. Als sie ihren ersten Rundgang beendet hatten, kauften sie etwas zu essen und zu trinken und setzten sich an einen der Tische bei der Tanzfläche.
    »Da ist er!« sagte Rosa plötzlich und zeigte über den Platz zu einer Gruppe junger Männer, die Mädchen in ihren besten Zusammenkunftskleidern bewunderten.

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