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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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»Oh, nein, nein! Was habe ich aufgerissen? Was soll ich tun? Wie schlimm ist es? Könnt ihr es sehen?«
    Zwar war nur der Saum ein wenig aufgerissen, und Spacia fädelte Zwirn in eine Nadel ein, um den Schaden zu beheben, aber Rosa war so außer sich beim Gedanken an ihre Rivalin, daß Tenna sich freiwillig anbot, nach unten zu gehen.
    »Weißt du, welcher Cleve ist?« fragte Rosa nervös, worauf Tenna nickte und das Zimmer verließ.
    Sie erkannte Felisha, noch ehe sie Cleve erkannte. Das Mädchen, dessen Gesicht halb von einem Schöpf schwarzer Locken verdeckt wurde, bemühte sich heftig flirtend um den großen Läufer mit dem markanten Gesicht. Er hatte ein einnehmendes, wenn auch ein wenig abwesendes Lächeln und sah immer wieder zur Treppe. Tenna kicherte in sich hinein. Rosa hätte sich keine Sorgen machen müssen. Cleve fühlte sich offenbar mit Felishas schmachtenden Blicken und der Art, wie sie das Haar über die Schulter warf und ins Gesicht fallen ließ, nicht wohl.
    »Cleve?« fragte Tenna, als sie auf die beiden zuging. Felisha sah sie wütend an und gab ihr mit einem Kopfnicken zu verstehen, daß sie sich verziehen sollte.
    »Ja?« Cleve machte einen Schritt auf Tenna zu und von Felisha weg, die daraufhin das Standbein wechselte und ihren Arm auf eine besitzergreifende Weise bei ihm unterhakte, die Cleve offensichtlich aufbrachte.
    »Rosa hat mir erzählt, daß du auch einen Zusammenstoß mit Haligon gehabt hast?«
    »Ja, das stimmt«, sagte Cleve, der das Thema aufgriff und versuchte, sich zu befreien. »Hat mich vor sechs Siebentagen auf dem Weg nach Boll umgerannt. Ich habe mir eine böse Zerrung zugezogen. Rosa hat gesagt, dich hat er in Stichlingsbusch gedrängt, so daß du dir ein paar gemeine Dornen eingehandelt hast. In der Hügelkurve ist das passiert, richtig?«
    Tenna hob die Hände und zeigte die Pünktchen der Einstiche, die noch zu sehen waren.
    »Wie schrecklich!« sagte Felisha unaufrichtig. »Dieser Junge ist viel zu rücksichtslos.«
    »Stimmt«, sagte Tenna, die dieses Mädchen überhaupt nicht mochte, aber liebenswürdig lächelte. Sie war eindeutig zu vierschrötig für eine Läuferin. Ihre wilder Haarschopf verdeckte die Kordeln irgendwelcher Hallen oder Burgen, die sie vielleicht trug. Tenna wandte sich an Cleve. »Spacia hat mir gesagt, daß du eine Menge über die hiesige Lederproduktion weißt, und ich brauche neue Schuhe.«
    »Gerbt man dort, wo du herkommst, keine Häute?« fragte Felisha hochnäsig.
    »Station Siebenundneunzig, richtig?« sagte Cleve grinsend. »Komm, ich bin selbst auf der Suche nach neuem Leder, und je größer die Zusammenkunft, desto besser die Chance auf einen guten Preis, richtig?« Er befreite sich von Felisha, nahm Tenna am Arm und schob sie zur Tür.
    Tenna konnte noch kurz Felishas wütendes Gesicht sehen, als sie sich aus dem Staub machten.
    »Ich danke dir, Tenna«, sagte Cleve und atmete erleichtert aus, als sie über den Hof zum Zusammenkunftsplatz gingen. »Dieses Mädchen ist eine Landplage.«
    »Ist sie eine Läuferin von Boll? Sie hat sich nicht vorgestellt.«
    Cleve kicherte. »Nein, sie gehört zur Weberhalle«, sagte er wegwerfend, »aber meine Station überbringt Nachrichten für ihren Handwerksmeister.« Er verzog das Gesicht.
    »Tenna?« rief Torlo von der Tür aus, und sie blieben beide stehen und warteten, bis er bei ihnen war.
    »Hat dir schon jemand Haligon gezeigt?« fragte er.
    »Ja, Rosa und Spacia. Er war hinter dem Burgherrn. Ich werde ein Wörtchen mit ihm reden, wenn wir uns begegnen.«
    »Braves Mädchen, braves Mädchen«, sagte Torlo, drückte ihr aufmunternd den Arm und ging zu seiner Station zurück.
    »Wirst du das tun?« fragte Cleve mit vor Überraschung großen Augen.
    »Werde ich was tun? Ihm Saures geben? Das werde ich allerdings«, sagte Tenna und bestärkte sich in ihrem Vorsatz. »Ihm etwas von dem wiedergeben, was er mir angetan hat.«
    »Ich dachte, du bist in Stichlingsbusch gefallen?« Cleve war offenbar entschlossen, sie wörtlich zu verstehen. »Davon gibt es keine in einem Hof.«
    »Ich glaube, es wird genügen, wenn ich den Tanzboden der Zusammenkunft mit ihm vermesse«, antwortete sie. Es war bestimmt nicht allzu schwer, jemanden in dieser Menschenmenge aufs Kreuz zu legen. Und sie hatte sich öffentlich dazu verpflichtet, diesem Haligon eine spürbare Lektion zu erteilen. Sogar Heiler Beveny half ihr. Sie war gleichsam gezwungen, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Sie wollte ganz sicher nicht den

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