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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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wurde, daß er gerade gebeten worden war, das Holz ins Lager der Tsurani zu bringen. Dirk hob das heruntergefallene Bündel auf und machte sich einen Moment daran zu schaffen, bis er die unhandliche Last im Griff hatte. Er ging zur Tür des Nebengebäudes, zögerte, dann rollte er das Holz auf die Brust und streckte die Hand aus, um am Seil des Riegels zu ziehen.
    Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Dirk stieß sie mit dem Fuß auf. Er trat ein und blinzelte einen Moment, um seine Augen an die Dunkelheit im Inneren zu gewöhnen.
    Ein halbes Dutzend Tsuranikrieger saßen auf den Betten und unterhielten sich mit leiser Stimme, während sie ihre Waffen und Rüstungen reinigten. Als sie den Dienerjungen eintreten sahen, verstummten sie. Dirk ging zur Holzkiste beim Kamin, der sich in der Mitte der gegenüberliegenden Wand befand, und legte seine Last dort ab.
    Die Tsurani sahen ihm mit ausdruckslosen Mienen zu. Er verließ den Raum rasch. Als er die Tür hinter sich zumachte, konnte er kaum glauben, daß das Bett in der hintersten Ecke vor wenigen Wochen noch sein eigenes gewesen war. Er und die anderen Arbeiter waren in die Scheune verbannt worden, abgesehen vom Hauspersonal, das nun auf dem Boden von Lord Pauls Küche schlief.
    Abgesehen vom Kochen wurde kaum Holz gebraucht, da die warmen Sommernächte Feuer zum Schlafen überflüssig machten. Die Tsurani brauchten ihre Feuer vorwiegend, um ihr fremdartiges Essen zuzubereiten, das die unmittelbare Umgebung mit seinen seltsamen und doch verlockenden Düften durchzog.
    Dirk machte eine kurze Pause, sah sich um und nahm den Anblick von Weißbergen in sich auf: vertraut, und doch seit der Ankunft der Invasoren seltsam überschattet. Mikia und Torren, ein junges Paar, seit dem Mittsommerfest vor einer Woche verlobt, näherten sich Hand in Hand dem Melkschuppen, und die Invasoren hätten unsichtbar sein können, so wenig ließen sich die jungen Liebenden von ihrer Anwesenheit stören.
    Aus der Küche kündigten Stimmen und das Scheppern von Töpfen das bevorstehende Mittagessen an. Dirk stellte fest, daß er Hunger hatte. Dennoch mußte er Feuerholz zu den anderen Gebäuden tragen, bevor er Mittagspause machen konnte, und er beschloß, je früher er damit anfing, desto früher würde er fertig sein. Als er sich zum Holzschuppen umdrehte, sah er einen Soldaten in Orange und Schwarz, der auf die Scheune zuging. Er fragte sich müßig, ob eine Zeit kommen würde, da die Invasoren aus Weißbergen vertrieben würden. Es schien unwahrscheinlich, denn es gab keine Neuigkeiten vom Krieg, und die Tsurani richteten sich in Weißbergen ein, als wollten sie nie wieder fort.
    Als er beim Holzschuppen war, machte Dirk die Tür auf und sah Alex im hinteren Teil des Schuppens, wo er frisches Holz sägte. Der noch verletzte Mann sagte: »Du kannst es wegbringen, Junge. Ich säge.«
    Dirk nickte, betrat den Schuppen und holte noch einen Armvoll Feuerholz. Dirk seufzte. Als jüngstem Mitglied des Personals fielen ihm immer die schlimmsten Aufgaben zu, und dies war nur eine Arbeit, die zu seiner Last hinzukam, ohne daß er von einer anderen befreit werden würde.
    Bevor er nach Weißbergen gekommen war, war Dirk nichts gewesen, der jüngste Sohn eines Steinmetzen, der bereits zwei Söhne als Lehrlinge hatte. Sein Vater hatte die Steine für Lord Pauls Haus geschnitten und diese flüchtige Bekanntschaft genutzt, um Dirk eine Stelle in Pauls Haushalt zu beschaffen.
    Mit dieser Stellung ging das Versprechen einher, daß er einmal eine Art Rang auf dem Anwesen einnehmen würde, vielleicht Platzwart, Stallmeister oder Viehhirt. Vielleicht konnte er sich auch eine Farm zur Bewirtschaftung verdienen, wobei ein Teil der Ernte an den Grundherrn gehen würde, und mit der Zeit ein Freisasse werden, der sein eigenes Land besaß und keinem Herrn zu Diensten sein mußte. Er hatte sich sogar auszumalen gewagt, daß er ein Mädchen kennenlernen und heiraten würde, um selbst Söhne und Töchter großzuziehen. Vielleicht konnte er das ja trotz der Tsurani noch tun.
    Was ihn daran erinnerte, daß er allen Grund hatte, dankbar zu sein, und so hob er die nächste Ladung Holz für die Kamine der Invasoren vom Boden auf.
     
    Der Herbst brachte einen raschen Wetterumschwung mit sonnigen, aber kühlen Tagen und kalten Nächten. Äpfel wurden geerntet, und die Saftpressen standen nicht still. Für die Tsurani war der Saft eine wunderbare Köstlichkeit, daher beanspruchten sie einen großen Teil für sich. Ein Teil

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