Der siebte Schrein
Aufgenommenen im Geschichtsunterricht beigebracht, aber außer den Eingeweihten der Burg durfte sie niemand erfahren. Aber was war eine Strafe im Vergleich zu dem, was sie erwartete? »Mehr als hundert Schwestern wurden nach Malkier geschickt«, sagte sie ruhiger, als sie sich fühlte. Nach allem, was man ihr beigebracht hatte, sollte sie allein für das, was sie ihm schon gesagt hatte, um eine Strafe bitten. »Aber nicht einmal Aes Sedai können fliegen. Sie kamen zu spät.« Als die ersten eintrafen, waren die Armeen von Malkier bereits von den endlosen Horden der Schattenbrut aufgerieben worden, die Menschen flohen oder waren tot. Der Untergang von Malkier war brutal und blutig und schnell gewesen. »Das war vor meiner Geburt, aber ich bedaure es zutiefst. Und ich bedaure, daß die Burg beschlossen hat, ihre Bemühungen geheimzuhalten.« Es war besser, man glaubte, daß die Burg nichts getan hatte, als bekannt werden zu lassen, daß Aes Sedai es versucht hatten und gescheitert waren. Ein Scheitern war ein Schlag für den Ruf, ein Geheimnis, aber der Panzer, den die Burg brauchte. Aes Sedai hatten ihre eigenen Gründe für alles, was sie taten oder ließen, und diese Gründe waren nur den Aes Sedai bekannt. »Eine andere Antwort kann ich Euch nicht geben. Ich glaube, ich habe mehr gesagt, als ich sollte, mehr als jede Schwester je sagen würde. Wird es genügen?«
Eine Zeitlang sah er sie nur an, und das Feuer wurde langsam wieder zu Eis. Er wandte den Blick ab. »Fast kann ich es glauben«, murmelte er schließlich, ohne zu sagen, was er fast glaubte. Er stieß ein bitteres Lachen aus. »Wie kann ich Euch helfen?«
Moiraine runzelte die Stirn. Sie wünschte sich sehr, einige Zeit allein mit diesem Mann verbringen zu können, um ihn zur Raison zu bringen, aber das mußte warten. »Es hält sich eine andere Schwester hier im Palast auf. Merean Rotberg. Ich muß wissen, wohin sie geht, was sie tut, mit wem sie sich trifft.« Er blinzelte, stellte die Fragen, die auf der Hand lagen, aber nicht. Vielleicht wußte er, daß er keine Antworten bekommen würde, aber sein Schweigen war dennoch erfreulich.
»Ich bin in den vergangenen Tagen in meinen Gemächern geblieben«, sagte er und sah wieder zur Tür. »Ich weiß nicht, ob ich Euch als Beobachter viel nützen kann.«
Sie schniefte unwillkürlich. Der Mann versprach Hilfe, dann hielt er nervös nach seiner Lady Ausschau. Vielleicht war er nicht der, für den sie ihn hielt. Aber er war der, den sie hatte. »Nicht Ihr«, sagte sie zu ihm. Ihr Besuch hier würde bald im gesamten Aesdaishar bekannt sein, wenn er es nicht schon war, und wenn bemerkt wurde, wie er Merean nachspionierte . . . das könnte eine Katastrophe werden, auch wenn die Frau unschuldig wie ein Baby sein sollte. »Ich dachte, Ihr könntet einen der Malkieri fragen, die sich, soweit ich weiß, hier versammelt haben, um Euch zu folgen. Jemand mit scharfen Augen und einem verschlossenen Mund. Es muß unter äußerster Geheimhaltung geschehen.«
»Niemand folgt mir«, sagte er schneidend. Er sah wieder zur Tür und schien plötzlich erschöpft zu sein. Er sackte nicht zusammen, ging aber zum Kamin und stellte das Schwert mit der Sorgfalt eines müden Mannes daneben. Er wandte ihr den Rücken zu, als er sagte: »Ich werde Bukama und Ryne bitten, sie zu beobachten, kann aber in ihrem Namen nichts versprechen. Mehr kann ich nicht für Euch tun.«
Sie unterdrückte einen ärgerlichen Laut. Ob es alles war, was er tun konnte oder wollte, sie hatte kein Druckmittel gegen ihn in der Hand. »Bukama«, sagte sie. »Nur er.« Urteilte man danach, wie Ryne sich in ihrer Gegenwart verhalten hatte, würde er zu sehr damit beschäftigt sein, Merean anzugaffen, um etwas zu sehen oder zu hören. Wenn er nicht in dem Moment, wenn Merean ihn ansah, alles gestand, was er tat. »Und sagt ihm nicht, warum.«
Sein Kopf fuhr ruckartig herum, aber nach einem Augenblick nickte er. Und stellte wieder nicht die Fragen, die die meisten Leute gestellt hätten. Während sie ihm sagte, wie er mit ihr Verbindung aufnehmen konnte, durch Nachrichten über ihre Zofe Suki, hoffte sie, daß sie keinen schweren Fehler machte.
Als sie wieder in ihren Räumen angelangt war, konnte sie feststellen, wie schnell Neuigkeiten die Runde machten. Im Wohnzimmer bot Siuan einer großen, jungen Frau, die kaum älter als ein Mädchen war, ein Tablett mit Süßigkeiten an. Sie trug ein Kleid aus blaßgrüner Seide, hatte volle Lippen und schwarzes
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