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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Abby, damals keine zehn Jahre alt, hatte nicht anders gekonnt, als das lange Haar der Konfessorin anzustarren. Abgesehen von ihrer Mutter war keine Frau in der kleinen Stadt Coney Crossing bedeutend genug, daß sie sich Haare leisten konnten, die bis auf die Schultern reichten. Abbys eigenes feines dunkelbraunes Haar bedeckte die Ohren, aber nicht mehr.
    Als sie auf dem Weg zur Feste durch die Stadt gekommen war, war es ihr schwergefallen, die Edelfrauen mit Haaren bis auf die Schultern und sogar ein wenig darüber hinaus nicht anzustarren. Aber die Konfessorin, die im schlichten schwarzen Satingewand der Konfessorinnen zur Feste hinaufging, hatte Haare, die ihr bis halb über den Rücken reichten.
    Sie wünschte sich, sie hätte einen besseren Blick auf den seltenen Anblick derart luxuriösen Haares werfen können, und auf die Frau, die bedeutend genug war, es zu tragen, aber Abby war wie alle übrigen in ihrer Gesellschaft vor der Brücke auf die Knie gegangen und fürchtete sich wie alle übrigen davor, den gesenkten Kopf zu heben, damit sie dem Blick der anderen nicht begegnete. Man sagte, einer Konfessorin direkt in die Augen zu schauen, konnte einen den Verstand kosten, wenn man Glück hatte, und die Seele, wenn man Pech hatte. Auch wenn Abbys Mutter gesagt hatte, daß das nicht stimmte, daß nur die willentliche Berührung einer solchen Frau das bewirken konnte, wollte Abby nicht ausgerechnet heute, an diesem Tag, herausfinden, ob an den Geschichten etwas dran war.
    Die alte Frau vor ihr, die mehrere Röcke trug, deren oberster mit Henna gefärbt war, und einen dunklen Schal dazu, sah den vorbeimarschierenden Soldaten nach und beugte sich näher herüber. »Du wärst gut beraten, einen Knochen mitzubringen, Herzchen. Ich habe gehört, daß es Leute in der Stadt gibt, die einen Knochen, wie du ihn brauchst, für den richtigen Preis verkaufen. Zauberer nehmen kein Pökelfleisch als Bezahlung. Sie haben Pökelfleisch.« Sie sah an Abby vorbei zu den anderen und stellte fest, daß sie mit ihren eigenen Belangen beschäftigt waren. »Du solltest besser deine Sachen verkaufen und hoffen, daß du genug für einen Knochen zusammenkriegst. Zauberer wollen nicht, was ein Mädchen vom Land ihnen bringen kann. Ist nicht leicht, einen Zauberer dazu zu bringen, daß er einem einen Gefallen tut.« Sie sah den Soldaten nach, die die andere Seite der Brücke erreicht hatten. »Anscheinend nicht mal für diejenigen, die ihnen zu Gebote stehen.«
    »Ich will nur mit ihnen reden. Das ist alles.«
    »Soweit ich gehört habe, bekommt man für Pökelfleisch nicht mal ein Gespräch.« Sie betrachtete Abbys Hand, mit der sie versuchte, die glatte, runde Form in dem Leinwandsack zu bedecken. »Oder einen Krug, den du gemacht hast. Was ist es, Herzchen?« Die braunen Augen in der runzligen Ledermaske ihres Gesichts schauten plötzlich humorlos und stechend auf. »Ein Krug?«
    »Ja«, sagte Abby. »Ein Krug, den ich gemacht habe.«
    Die Frau lächelte skeptisch und schob eine kurze graue Strähne unter ihre Wollmütze zurück. Sie legte die gichtigen Finger um den Ärmel von Abbys scharlachrotem Kleid und zog ihn ein bißchen hoch, um den Arm betrachten zu können.
    »Vielleicht könntest du den Preis für einen angemessenen Knochen für deinen Armreif bekommen.«
    Abby sah auf den Armreif hinab, der aus zwei Drähten bestand, die zu ineinander verschlungenen Kreisen geflochten waren. »Meine Mutter hat mir den gegeben. Er hat nur persönlichen Wert für mich.«
    Langsam umspielte ein Lächeln die rissigen Lippen der Frau. »Die Geister glauben, es gibt keine größere Macht als das Verlangen einer Mutter, ihr Kind zu beschützen.«
    Abby zog den Arm behutsam weg. »Die Geister wissen, wie wahr das ist.«
    Abby, die sich unter dem prüfenden Blick der plötzlich so redseligen Frau unwohl fühlte, suchte nach einer ungefährlichen Stelle, auf der sie die Augen ruhen lassen konnte. Ihr wurde schwindlig, wenn sie in den gähnenden Abgrund unter der Brücke sah, und sie war es satt, die Feste der Zauberer zu betrachten, daher tat sie so, als wäre ihre Aufmerksamkeit wieder von der Schar von Leuten angezogen worden, überwiegend Männern, die mit ihr am Ende der Brücke warteten. Sie beschäftigte sich damit, an der letzten Brotkruste des Laibs zu knabbern, den sie unten auf dem Markt gekauft hatte, bevor sie zur Feste heraufgekommen war.
    Abby kam sich stets linkisch vor, wenn sie mit Fremden sprach. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie

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