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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Haarspitzen sich auf den Schultern lockten, warf einen Blick auf Abby. Seine tiefliegenden Augen leuchteten herausfordernd. Sie schluckte und blieb still. Sie hatte auch keine Einwände, jedenfalls keine, die sie in Worte zu kleiden gedachte. Immerhin war der Adlige möglicherweise bedeutend genug, um dafür sorgen zu können, daß sie ihre Audienz nicht bekam. Jetzt, wo sie so kurz davor war, konnte sie es sich nicht leisten, ein Risiko einzugehen.
    Abby wurde durch ein Kribbeln des Armreifs abgelenkt. Blind tastete sie mit den Fingern über das Gelenk der Hand, mit der sie den Sack hielt. Der Armreif aus Draht fühlte sich warm an. Das war seit dem Tod von Abbys Mutter nicht mehr vorgekommen. Aber an einem Ort, wo soviel Magie konzentriert war wie hier, überraschte sie das eigentlich nicht. Die Menge setzte sich in Bewegung, um der Hexenmeisterin zu folgen.
    »Gemein sind sie«, flüsterte die Frau über ihre Schulter. »Gemein wie eine Winternacht, und genauso kalt.«
    »Diese Männer?« flüsterte Abby zurück.
    »Nein.« Die Frau legte den Kopf schief. »Hexenmeisterinnen. Zauberer auch. Die meine ich. Alle, die mit der Gabe der Magie geboren wurden. Du solltest besser etwas Wichtiges in diesem Sack haben, sonst könnten dich die Zauberer nur so aus Spaß in Staub verwandeln.«
    Abby nahm den Sack fest in ihre Arme. Die größte Gemeinheit, die ihre Mutter zeit ihres Lebens begangen hatte, hatte darin bestanden, daß sie gestorben war, bevor sie ihre Enkeltochter sehen konnte.
    Abby schluckte den Drang zu weinen hinunter und betete zu den guten Geistern, daß die alte Frau sich irrte, was die Zauberer betraf, und sie so verständnisvoll wie Hexenmeisterinnen waren. Sie betete inbrünstig, daß dieser Zauberer ihr helfen würde. Sie betete auch um Vergebung - daß die guten Geister Verständnis haben würden.
    Abby bemühte sich sehr, einen gelassenen Gesichtsausdruck zu wahren, auch wenn ihr Innerstes in Aufruhr war. Sie drückte eine Faust auf den Bauch. Sie betete um Stärke. Selbst in dieser Situation betete sie um Stärke.
    Die Hexenmeisterin, die drei Männer, die alte Frau, Abby und nach ihr die restlichen Bittsteller schritten unter dem riesigen Fallgatter aus Eisen hindurch und betraten den Innenhof der Feste. Im Inneren der massiven Schutzmauer, stellte Abby zu ihrer Verblüffung fest, war die Luft warm. Draußen war ein kühler Herbsttag, aber im Inneren herrschten frühlingshaft warme Temperaturen.
    Die Straße zum Berg hinauf, die steinerne Brücke über den Abgrund und die Öffnung unter dem Fallgatter schienen der einzige Weg in die Feste zu sein, wenn man kein Vogel war. Lotrechte Mauern aus dunklem Stein mit hohen Fenstern säumten den mit Kies bedeckten Hof im Inneren. Einige Türen lagen unmittelbar am Innenhof, direkt gegenüber führte ein übertunnelter Weg tiefer in die Feste hinein.
    Trotz der warmen Luft fröstelte Abby bis auf die Knochen. Sie war nicht sicher, ob die alte Frau mit ihrer Meinung über Zauberer nicht doch recht hatte. Das Leben in Coney Crossing war weit entfernt von den Belangen der Zauberer.
    Abby hatte noch nie zuvor einen Zauberer gesehen und kannte auch niemanden, der einen gesehen hatte, abgesehen von ihrer Mutter, und ihre Mutter hatte nie von ihnen gesprochen, immer nur gemahnt, daß man, soweit es um Zauberer ging, nicht einmal seinen eigenen Augen trauen durfte.
    Die Hexenmeisterin führte sie Granitstufen hinauf, die im Lauf der Zeitalter von zahllosen Füßen glattgeschliffen worden waren, durch eine Tür unter einem Türsturz aus schwarzem Granit mit rosa Flecken und in die eigentliche Feste hinein. Die Hexenmeisterin hob einen Arm in der Finsternis und drängte die Dunkelheit zurück. Lampen an den Wänden flammten auf.
    Es war simple Magie - keine besonders eindrucksvolle Demonstration der Gabe -, aber mehrere Leute weiter hinten fingen besorgt an zu murmeln, als sie durch den breiten Flur gingen. Abby dachte sich, wenn dieses kleine Zauberkunststück sie schon in Angst versetzte, hatten sie bei den Zauberern nichts verloren.
    Ihr Weg führte sie über den versenkten Boden eines imposanten Vorzimmers, wie es sich Abby nie hätte vorstellen können. Rote Marmorsäulen ringsum stützten Bögen unter Balkonen. In der Mitte des Raums spritzte ein Springbrunnen Wasser weit nach oben. Das Wasser fiel zurück und floß durch eine Folge von immer größeren halbrunden Schüsseln herab. Offiziere, Hexenmeisterinnen und eine Vielzahl anderer Leute saßen auf weißen

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