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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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die Hand mit der Präzision langer Übung. Er schwenkte den Arm und malte einen Kreis. Er holte eine Handvoll frischen Sand und zeichnete einen inneren Kreis. Es sah aus, als würde er eine Grazie malen.
    Abbys Mutter hatte stets das Quadrat als zweites gezeichnet; alles in der Reihenfolge nach innen, und dann die Strahlen nach außen. Zauberer Zorander malte den achtzackigen Stern in den kleineren Kreis. Er zog die Linien nach außen durch beide Kreise, ließ aber eine weg.
    Noch mußte er das Quadrat zeichnen, das die Grenze zwischen den Welten symbolisierte. Er war der Erste Zauberer, daher dachte Abby, wäre es nicht unangemessen, wenn er es in einer anderen Reihenfolge machte als eine Hexenmeisterin in einem kleinen Kaff wie Coney Crossing. Aber mehrere der Männer, die Abby für Zauberer hielt, und zwei Hexenmeisterinnen hinter ihm warfen einander ernste Blicke zu.
    Zauberer Zorander ließ Sand zu zwei der Linien des Quadrats rieseln. Er holte noch einmal Sand aus dem Sack und begann die beiden letzten Seiten.
    Statt eine gerade Linie zu ziehen, malte er einen Bogen, der bis weit in den inneren Kreis hinein reichte - der die Welt des Lebens darstellte. Der Bogen endete nicht am äußeren Kreis, sondern ging darüber hinaus. Die letzte Seite malte der Zauberer ebenfalls bogenförmig, so daß auch sie in den inneren Kreis ragte. Er setzte die Linie so weit fort, daß sie sich mit der anderen dort vereinigte, wo der Strahl des Lichtes fehlte. Im Gegensatz zu den drei anderen Punkten des Quadrats lag dieser letzte Punkt außerhalb des größeren Kreises - in der Welt der Toten.
    Die Leute stöhnten auf. Einen Moment senkte sich Schweigen über den Raum, dann wurde unter den Begabten besorgtes Murmeln laut.
    Zauberer Zorander erhob sich. »Zufrieden, Thomas?«
    Thomas´ Gesicht war so weiß wie sein Bart geworden. »Der Schöpfer stehe uns bei.« Er sah Zauberer Zorander an. »Der Rat versteht das nicht ernstlich. Es wäre Wahnsinn, es zu entfesseln.«
    Zauberer Zorander beachtete ihn gar nicht, sondern drehte sich zu Abby um. »Wie viele D´Haraner hast du gesehen?«
    »Vor drei Jahren kam eine Heuschreckenplage über uns. Die Hügel an der Furt waren braun von ihnen. Ich glaube, ich habe mehr D´Haraner gesehen als Heuschrecken.«
    Zauberer Zorander tat seinen Unmut durch ein Grunzen kund. Er betrachtete die Grazie, die er gezeichnet hatte. »Panis Rahl wird nicht aufgeben. Wie lange, Thomas? Wie lange, bis er etwas Neues findet, das er beschwören kann, und Anargo zu uns zurückschickt?« Er ließ den Blick über die Leute um ihn herum schweifen. »Wie viele Jahre haben wir gefürchtet, wir könnten durch eine Invasionsstreitmacht von D´Hara vernichtet werden? Wie viele von unserem Volk wurden durch Rahls Magie getötet? Wie viele tausend sind an den Fiebern gestorben, die er geschickt hat? Wie viele tausend haben nach der Berührung durch die Schattenmenschen, die er geschickt hat, Blasen bekommen und sind verblutet? Wie viele Ortschaften, Dörfer und Städte hat er ausradiert?«
    Da niemand etwas sagte, fuhr Zauberer Zorander fort:
    »Wir haben Jahre gebraucht, vom Abgrund zurückzukehren. Das Kriegsglück hat sich endlich gewendet, der Feind ist auf der Flucht. Wir haben jetzt drei Möglichkeiten. Die erste wäre, ihn nach Hause fliehen zu lassen und zu hoffen, daß er niemals wieder mit seiner Unmenschlichkeit über uns kommt. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis er es wieder versucht. Damit bleiben zwei realistische Möglichkeiten. Wir können ihn in seinen Bau zurückverfolgen und endgültig den Garaus machen, was das Leben von Zehn-, möglicherweise Hunderttausenden unserer Männer kosten könnte - oder ich kann ihm ein Ende bereiten.«
    Die Begabten in der Menge warfen nervöse Blicke auf die Grazie am Boden.
    »Wir besitzen noch andere Magie«, sagte ein anderer Zauberer. »Wir können sie zum selben Zweck anwenden, ohne eine solche Katastrophe zu entfesseln.«
    »Zauberer Zorander hat recht«, sagte ein anderer, »und der Rat ebenso. Der Feind hat es nicht anders verdient. Wir müssen es über ihn bringen.«
    Diskussionen wurden in dem Raum laut. Derweil sah Zauberer Zorander Abby in die Augen. Es war eine eindeutige Aufforderung, mit ihrem Bittgesuch zu Ende zu kommen.
    »Mein Volk - die Leute von Coney Crossing - wurde von den D´Haranern gefangengenommen. Sie haben noch andere, die sie eingesperrt haben. Sie haben eine Hexenmeisterin, die die Gefangenen mit einem Bannfluch festhält.

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