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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Bitte, Zauberer Zorander, Ihr müßt mir helfen!
    Als ich mich versteckt hatte, hörte ich die Hexenmeisterin mit ihren Offizieren sprechen. Die D´Haraner haben vor, die Gefangenen als Schild zu benutzen. Sie wollen die Gefangenen dazu benutzen, die tödliche Magie zu absorbieren, die Ihr ihnen entgegenschleudert, oder die Speere und Pfeile aufzufangen, die die Armee der Midlands auf sie abfeuert. Wenn sie beschließen, wieder umzukehren und anzugreifen, wollen sie die Gefangenen vor sich hertreiben. Sie nannten es: ›die Waffen des Feindes mit seinen eigenen Frauen und Kindern unschädlich machen.‹«
    Niemand sah sie an. Alle waren wieder mit ihren Diskussionen und Streitgesprächen beschäftigt. Es war, als wäre das Leben all dieser Menschen unwichtig für sie.
    Tränen brannten in Abbys Augen. »Wie auch immer, viele unschuldige Menschen werden sterben. Bitte, Zauberer Zorander, wir sind auf Eure Hilfe angewiesen. Sonst werden sie alle sterben.«
    Er sah sie kurz an. »Wir können nichts für sie tun.«
    Abby keuchte und versuchte, Tränen zurückzuhalten. »Mein Vater wurde gefangengenommen, zusammen mit anderen meiner Verwandten. Mein Mann befindet sich unter den Gefangenen. Meine Tochter ist bei ihnen. Sie ist noch keine fünf. Wenn Ihr Magie sendet, werden sie sterben. Wenn Ihr angreift, werden sie sterben. Ihr müßt sie retten oder den Angriff aufschieben.«
    Er sah wahrhaft traurig aus. »Es tut mir leid. Ich kann ihnen nicht helfen. Mögen die guten Geister über sie wachen und ihre Seelen ins Licht führen.« Er wollte sich abwenden.
    »Nein!« schrie Abby. Einige der Anwesenden verstummten. Andere sahen nur kurz zu ihr und fuhren fort. »Mein Kind! Das könnt Ihr nicht!« Sie schob eine Hand in den Sack. »Ich habe einen Knochen -«
    »Hat das nicht jeder«, knurrte er und schnitt ihr das Wort ab. »Ich kann dir nicht helfen.«
    »Aber ihr müßt!«
    »Wir müßten von unserem Feldzug ablassen. Wir müssen die Streitmacht von D´Hara aber besiegen - so oder so. Auch wenn diese Menschen unschuldig sind, sie sind im Weg. Ich kann nicht zulassen, daß die D´Haraner mit ihrem Plan Erfolg haben, sonst würde ich andere ermutigen, ihrem Beispiel zu folgen, und dann würden noch mehr Unschuldige sterben. Wir müssen dem Feind zeigen, daß wir uns nicht von unserer Vorgehensweise abbringen lassen.«
    »NEIN!« heulte Abby. »Sie ist noch ein Kind! Ihr verurteilt mein Baby zum Tode! Und es sind noch mehr Kinder dabei! Was seid Ihr für ein Monster?«
    Außer dem Zauberer hörte ihr niemand mehr zu, alle waren in ihre Unterhaltungen vertieft.
    Die Stimme des Ersten Zauberers übertönte das Stimmengewirr und war so deutlich für Abby zu hören wie das Geläut des Todes. »Ich bin ein Mann, der solche Entscheidungen treffen muß. Ich muß dein Gesuch ablehnen.«
    Abby schrie vor Qual angesichts des Fehlschlags ihrer Mission. Ihr wurde nicht einmal gestattet, ihm den Knochen zu zeigen.
    »Aber es ist eine Schuld!« rief sie. »Eine Ehrenschuld!«
    »Und sie kann jetzt nicht beglichen werden.«
    Abby kreischte hysterisch. Die Hexenmeisterin zog sie weg. Abby riß sich von der Frau los und rannte aus dem Zimmer. Sie stolperte die Steintreppe hinunter und konnte durch ihre Tränen kaum etwas sehen.
    Am unteren Ende der Treppe fiel sie hilflos schluchzend zu Boden. Er wollte ihr nicht helfen. Er wollte einem hilflosen Kind nicht helfen. Ihre Tochter würde sterben.
     
    Abby, die von Weinkrämpfen geschüttelt wurde, spürte eine Hand auf der Schulter. Arme zogen sie sanft näher. Zärtliche Finger strichen ihr das Haar zurück, während sie im Schoß einer Frau schluchzte. Jemand anders berührte sie am Rücken, und sie spürte, wie der warme Trost der Magie in sie einströmte.
    »Er tötet meine Tochter«, schrie sie. »Ich hasse ihn.«
    »Schon gut, Abigail«, sagte die Stimme über ihr. »Es ist nicht schlimm zu weinen, wenn man einen solchen Schmerz erleidet.«
    Abby wischte sich die Augen, konnte die Tränen aber nicht aufhalten. Die Hexenmeisterin war da, neben ihr an der untersten Treppenstufe.
    Abby schaute zu der Frau auf, in deren Armen sie lag. Es war die Mutter Konfessorin selbst. Sollte sie ihr doch Schlimmes antun - Abby war es einerlei. Was spielte es jetzt noch für eine Rolle, was spielte überhaupt noch eine Rolle?
    »Er ist ein Monster«, schluchzte sie. »Und er trägt seinen Namen zu Recht. Er ist der böse Wind des Todes. Aber diesmal tötet er mein Baby, nicht den Feind.«
    »Ich verstehe,

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