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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Ich habe dummerweise vergessen, meinem Anliegen Nachdruck zu verleihen, indem ich ihn aufforderte, die Probe durchzuführen.« Sie drehte sich um und ergriff den Arm der Mutter Konfessorin. »Bitte, helft mir, ja? Erzählt ihm, was ich habe, und bittet ihn, es zu prüfen.«
    Die Mutter Konfessorin dachte mit leerer Miene nach. Schließlich ergriff sie das Wort. »Es geht hier um eine durch Magie besiegelte Schuld. Darüber muß ernstlich nachgedacht werden. Ich werde deinetwegen mit Zauberer Zorander sprechen und bitten, daß er dir eine Privataudienz gewährt.«
    Abby kniff die Augen zu, als frische Tränen flossen. »Danke.« Sie barg das Gesicht in beiden Händen und schluchzte erneut, weil die Flamme der Hoffnung wieder entzündet worden war.
    Die Mutter Konfessorin hielt Abby an den Schultern. »Ich sagte, ich werde es versuchen. Vielleicht lehnt er die Bitte ab.«
    Die Hexenmeisterin lachte ein humorloses Lachen. »Unwahrscheinlich. Ich werde ihn ebenfalls am Ohr ziehen. Aber, Abigail, das bedeutet nicht, daß wir ihn überzeugen können, dir zu helfen - Knochen hin oder her.«
    Abby strich sich über die Wange. »Ich verstehe. Aber ich danke Euch beiden. Danke Euch beiden für Euer Verständnis.«
    Die Hexenmeisterin wischte Abby mit dem Daumen eine Träne vom Kinn. »Man sagt, die Tochter einer Hexenmeisterin ist die Tochter aller Hexenmeisterinnen.«
    Die Mutter Konfessorin stand auf und strich sich das weiße Kleid glatt. »Delora, vielleicht solltest du Abigail zu einem Gasthaus für reisende Frauen bringen. Sie könnte Ruhe brauchen. Hast du Geld, Kind?«
    »Ja, Mutter Konfessorin.«
    »Gut. Delora wird dir ein Zimmer für die Nacht besorgen. Kehre kurz vor Sonnenaufgang zur Feste zurück. Wir werden dich dort empfangen und wissen lassen, ob wir Zedd überzeugen konnten, deinen Knochen zu prüfen.«
    »Ich werde zu den guten Geistern beten, daß Zauberer Zorander mich empfangen und meiner Tochter helfen wird.« Plötzlich empfand Abby Scham angesichts ihrer eigenen Worte. »Und ich werde auch für seine Tochter beten.«
    Die Mutter Konfessorin legte die Hände an Abbys Wangen. »Bete für uns alle, Kind. Bete, daß Zauberer Zorander die Magie gegen D´Hara einsetzt, bevor es für alle Kinder der Midlands zu spät ist - jung und alt gleichermaßen.«
     
    Auf dem Weg in die Stadt lenkte Delora das Gespräch weg von Abbys Sorgen und Hoffnungen und davon, was die Magie für beide bedeuten konnte. In gewisser Weise erinnerte das Gespräch mit der Hexenmeisterin Abby an Gespräche mit ihrer Mutter. Hexenmeisterinnen mieden Gespräche über Magie mit Unbegabten, Tochter hin oder her. Abby hatte das Gefühl, das Thema wäre ihnen unangenehm, wie bei Abby, als Jana sie gefragt hatte, wie Kinder in den Bauch einer Mutter kamen.
    Obwohl es schon spät war, wimmelte es auf den Straßen von Menschen. Auf allen Seiten hörte Abby besorgte Mutmaßungen über den Krieg. An einer Ecke unterhielten sich Frauen unter Tränen über Männer, die seit Monaten fort waren, ohne daß man Nachricht über ihr Schicksal hatte.
    Delora führte Abby eine Marktstraße hinab und ließ sie einen kleinen Laib Brot kaufen, in den Fleisch und Oliven gleich eingebacken waren. Eigentlich hatte Abby gar keinen Hunger. Die Hexenmeisterin nahm ihr das Versprechen ab, daß sie essen würde. Da Abby nichts tun wollte, das sie in Ungnade fallen lassen konnte, versprach sie es.
    Das Gasthaus lag in einer Nebenstraße mit dicht gedrängten Gebäuden. Der Lärm des Markts hallte durch die schmale Straße und drang so mühelos wie eine Meise im dichten Wald um Gebäude herum und durch winzige Innenhöfe. Abby fragte sich, wie die Menschen es aushalten konnten, so dicht beisammen zu leben und nichts anderes zu sehen als andere Häuser und Menschen. Sie fragte sich auch, wie sie bei all den seltsamen Geräuschen und dem Lärm schlafen sollte, denn selbst in den totenstillen Nächten auf dem Land hatte sie schlecht geschlafen, seit sie ihre Heimat verlassen hatte.
    Die Hexenmeisterin sagte Abby gute Nacht und gab sie in die Hände einer mürrischen und wortkargen Frau, die sie zu einem Zimmer am Ende eines langen Flurs führte und sie, nachdem sie eine Silbermünze kassiert hatte, ihrer Nachtruhe überließ. Abby setzte sich auf die Bettkante und sah sich im Schein einer kleinen Lampe auf einem Regal neben dem Bett in dem winzigen Zimmer um, während sie an dem Brotlaib knabberte. Das Fleisch im Inneren war hart und sehnig, schmeckte aber nicht schlecht

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