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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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Durst sie an, der sich irgendwo in ihr versteckt gehalten hatte. Sie schluckte gierig, hustete, trank weiter.
    »Gutes Mädchen«, sagte die Stimme. »Gute, kleine Mina. Geht es dir besser? Kannst du mich jetzt sehen?«
    So freundlich, die Stimme. So vertraut. Für sie gab Mina sich so viel Mühe, wie sie nur konnte. Sie kniff die Augen zusammen, biss sich auf die Lippen. Nur langsam gewann das dunkle Oval an Schärfe. Da waren die Fläche einer Stirn, die Linien von Wangenknochen. Der Schatten eines Bartes auf einem kantigen Kinn. Und über den schwarzen, glitzernden Edelsteinen stiegen Brauen schräg und kühn in die Höhe … Mina verschluckte sich. Es war Viorel, der auf sie hinuntersah und an dessen Schulter sie lag.
    Mina sprang nicht auf. Zuckte nicht zurück, wand sich nicht unter seinen Händen hervor. Sie war so erschöpft, dass sie nicht mehr tat, als an ihm zu lehnen und zu ihm aufzublicken.
    »Erkennst du mich?«, fragte er.
    Sie nickte benommen; oder bildete sie sich nur ein, dass sie es tat? Aber nein, er lächelte, und seine Augen glitzerten zu ihr herunter.
    »Gut. Du hast dich vielleicht ein wenig übernommen, ja? Was machst du hier so allein? Wo ist Rosa?«
    Mina betrachtete ihn verwirrt.
    Sein Lächeln verschwand nicht, aber ein neuer Ton stahl sich in seine Stimme. Er hatte etwas Dringliches, Entschlossenes. Es passte nicht zu dem weichen Schwung seiner Lippen; aber zu dem Glitzern in seinen Augen.
    »Wo ist Rosa, Mina? Verstehst du, was ich sage? Habt ihr euch verloren?«
    Sie schüttelte den Kopf. Ihr Nacken rieb sich dabei an
seinem Körper, das Blut stieg ihr ins Gesicht und ließ die Wunde auf ihrer Wange pochen.
    Er merkte es. Sein Lächeln vertiefte sich.
    »Ach, kleine Mina. Ich weiß, du bist müde und erschöpft. Aber ich halte dich ja, du kannst dich ausruhen. Willst du das, Mina? Ausruhen, hier bei mir?«
    Ihr Kopf nickte von allein, als sein Arm sich fester um sie legte und seine Lippen ihren näher kamen.
    »Dann tu das nur«, flüsterte er sanft wie das Rascheln von Seide unter dem Sternenlicht. »Tu das, kleine Mina. Ich halte dich.«
    Sein Atem strich über ihren Mund. Ihre Augen spiegelten sich in seinen. Der Schwindel kam zurück, viel stärker als zuvor. Sie musste sich an ihm festhalten. Ganz von selbst fanden ihre Finger die Stelle in seiner Armbeuge, wo die Muskeln unter Hemd und Haut so biegsam ineinander übergingen; wie geschaffen für eine Hand, um sich anzuklammern …
    »Ich bin bei dir«, murmelte er. Und weil er es murmelte, während er sie küsste, verstand sie erst, als es vorbei war, als sein Mund sich von ihrem löste und sie die plötzliche Kühle auf ihren Lippen spürte.
    »Bei dir …«
    Er gab ihr keine Zeit zu denken. Sein Mund kam zurück, seine Augen glänzten so sehr, sie musste die Lider schließen. Und dann küsste er sie zum zweiten Mal.
    »Kleine Mina, was machst du nur für Unsinn …«
    Wie nah er war, so nah. Sein Bart verfing sich in ihren Wimpern, wenn er den Kopf bewegte.
    »Einfach wegzulaufen, du und Rosa und die Kleine. Und ausgerechnet zu einem Waisenhaus. Solche Dummheiten, Mina …«

    Er redete, während er sie küsste. Es ging über ihren Verstand, dass er dazu in der Lage war. Jedes einzelne Härchen an ihrem Körper richtete sich zitternd auf, als seine Hand über ihren Hals strich und unter ihrem Kinn zu liegen kam. Wie bei einem kleinen Kind stützte er ihren Kopf.
    »Rosa hätte es besser wissen müssen. Sie ist die Ältere. Ist sie gegangen, um den anderen zu sagen, wo ihr seid, Mina? Wo ist Rosa?«
    Sie konnte den Kopf nicht schütteln, seine Hand hielt sie zu fest. Aber er musste die Bewegung unter den Fingern gespürt haben, denn er löste sein Gesicht von ihrem, und als sie die Augen unwillkürlich öffnete, bohrte sich das schwarze Funkeln hinein, so scharf, dass sie erschrak.
    »Weißt du nicht, wo sie ist? Ist es das, was du sagen willst? Aber du musst es wissen, Mina. Du musst es wissen.«
    Die Hand an ihrem Hals griff jetzt sehr fest zu.
    »Du hast sie gebeten, mit dir zu kommen, oder nicht? Sie und Pipa. Das dumme kleine Ding, sie wird nicht verstanden haben, worum es dir ging. Aber ich verstehe es, Mina. Oh ja, ich verstehe es sehr gut.«
    Seine Finger gruben sich in die weiche Haut unter ihrem Kiefer. Mina schluckte hart.
    Er hörte nicht auf zu lächeln.
    »Du bist ein gut erzogenes Mädchen, und solche Dinge, Liebesdinge, sind dir noch fremd. Ich verstehe das, und ich bin dir nicht böse. Fast überhaupt nicht,

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