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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen und in ihrem Nacken richteten sich zitternd auf.
    Eine Tür führte aus dem Raum. Sie war offen, obwohl ein schweres Schloss im Türblatt stak. Wer auch immer das
Licht angelassen hatte, er hatte vorgehabt, bald zurückzukommen.
    Mina huschte aus dem Lagerkeller.
    Wieder empfing sie ein Lichtschein, aber kräftiger jetzt und gelblicher. Ihr gegenüber war eine metallene Tür; ein kaum handgroßes Schild hing daran. Von links kam das gelbe Licht.
    Langsam drehte Mina den Kopf. Stufen führten nach oben, zum Licht hinauf. Steinstufen, wie von einer gewöhnlichen Kellertreppe. Irgendwo an ihrem Ende musste so etwas wie eine Nachtlampe brennen - wenn es denn noch Nacht war. Ihr Schein umspielte matt den Bogen, der sich am Ausgang über der Treppe spannte.
    Den steinernen Bogen. Der in einen Flur zu führen schien.
    Dort unten reißt er ihnen die Flügel aus.
    Es gab keinen Moment des Zweifels, der Unsicherheit. Mina sah diesen Bogen, und sie wusste, wo sie war. Es brauchte das Schild nicht an der metallenen Tür, dessen Buchstaben sie schwarz und streng anherrschten, als sie sich zurückwandte.
    Zutritt strengstens untersagt!
Eingang nur für befugtes Anstaltspersonal
und nur nach vorheriger
persönlicher Genehmigung.
Jede Zuwiderhandlung wird geahndet.
Der Direktor
    Es lag etwas über dieser Tür; ein Hauch von etwas, das nicht wirklich Bosheit war, nicht Tücke. Stille eher, aber
eine ganz andere Stille als die schläfrige, staubige Düsternis in den alten Kellern. Eine Stille, die wartete. Die beobachtete und selbst nichts preisgab. Die verborgen blieb, auch wenn die Tür geöffnet würde - die einzige Tür.
    Der Riegel war zurückgeschoben.

Auch hinter der Metalltür war es kalt, aber viel heller als in dem kleinen Lagerraum. Mehrere Lampen brannten an den Wänden, die Gasflämmchen an den Dochten flackerten schwach im Luftzug, als sie die Tür behutsam hinter sich zuzog. Der Raum war leer, und etwas von der Anspannung löste sich in Mina; aber verlassen wirkte er nicht.
    Es lag nicht nur an den brennenden Lampen. Das Erste, worauf ihr umherhastender Blick fiel, war ein mächtiger Sekretär mit Dutzenden Fächern und Ablagen. Papiere lagen auf ihm verstreut, und das Lampenlicht brach sich matt in einem Tintenfass mit abgeschraubtem Deckel. Der Lehnstuhl davor war nachlässig zurückgeschoben.
    Ein Studierzimmer, dachte Mina verwundert, während sie die Augen weiterwandern ließ. Ein Studierzimmer, sonst nichts. Borde voller Bücher an den Wänden, die ernst und gewichtig in den Raum hinunterblickten. Farbige Schaubilder und Tafeln. Leise trat sie näher an eines der Bilder heran.
    Es stellte einen Mann dar, sorgfältig gezeichnet, der zurückgelehnt in einer Sitzbadewanne saß. Seine Gesichtszüge
wirkten eigenartig flach, aber entspannt, und die Andeutung eines Lächelns schien auf seinen Lippen zu liegen. Viel mehr als seinen Kopf konnte man von ihm nicht sehen, denn über seinen Schultern lag ein Tuch wie eine Art kurzes Zelt, das bis zum Rand der Wanne gespannt und dort festgebunden war. Friedlich schien der Mann auf das Zelt hinunterzublinzeln.
    Es musste eine Art medizinischer Behandlung sein. Mina versuchte, die kleingedruckten Hinweise und Anmerkungen zu entziffern, die unter der Darstellung standen.
    Besonders hilfreich in allen Fällen der leichten bis schweren Seelenstörung zeigen sich Dauerbäder in lauwarmem Wasser, wobei Außeneinwirkungen weitest möglich fernzuhalten sind.
    Mina runzelte die Stirn. Dauerbäder … Was war damit gemeint? Einige Stunden am Tag? Einige Tage in der Woche? Monate? Der Gesichtsausdruck des badenden Mannes kam ihr mit einem Mal weniger friedlich vor. Eher … abwesend. Abwesend wie die leeren Augen der weiß gekleideten Menschen auf den Bänken vor dem Schwanenhaus.
    Das Schwanenhaus …
    In der Nähe des Schaubildes stand eine Liege. Sie war mit einem freundlichen, hellen Stoff bezogen, eine Kissenrolle lag am einen Ende, daneben eine zusammengefaltete Decke, die weiche Falten warf. Mina betrachtete sie und dachte unwillkürlich daran, wie lange es her war, dass sie in etwas Ähnlichem wie einem Bett gelegen hatte. Wie es sich wohl anfühlen mochte, den sanften Stoff unter sich zu spüren, die Kissenrolle unter den müden Nacken zu
schieben … Sie schüttelte den Kopf. Als sie an der Liege vorbeiging, auf den gewaltigen Sekretär zu, stieß sie mit dem Oberschenkel kurz dagegen und zuckte zusammen. Es tat weh. Unter dem

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