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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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ganz aus einer einzigen Welt. Und niemals zu zähmen. Man kann sie ansehen und wissen, dass da mehr ist als hartes Straßenpflaster und enge Häuser, mehr als steife Kleider, drückende Schuhe. Mehr, und schöner, strahlender, als alles, was man in dieser Welt sonst zu sehen bekommt. Die Schwäne können Augen öffnen, die geöffnet werden wollen. Aber …«
    Er verstummte. Lilja schloss die Finger um die vertrocknete Blüte und zog die Hand zurück.

    »Die Schwäne«, sagte sie ruhig, »können nicht heilen, was zerbrochen ist. Sie können nicht verhindern, dass die Welt sich verändert und vieles, was gut war, verlorengeht. Das hast du schon erfahren, Mina. Du hast getan, was so weit über deine Kräfte ging, und hast sie zurückgebracht. Er … Karol, er hat dir geholfen, wie es seine Pflicht war. Aber er war schon so schwach, am Anfang schon, als er dich zu uns brachte. Und am Ende konnte er kaum noch wirklich genug werden, um das rote Pferd zu finden, zu zähmen und dich auf seinem Rücken zu retten. Jetzt … jetzt, wo erreicht ist, was zu erreichen war, ist eine andere Zeit angebrochen. Eine Zeit für die einen, zu ruhen und zu heilen und zu wachsen. Eine Zeit für die anderen, zu … schlafen. Tief zu schlafen wie die Glockenblumen unter dem Schnee.«
    »Aber die Glockenblumen sterben im Winter«, flüsterte Mina mit tauben Lippen. Ihr war es, als könnte sie noch immer die verwelkte blaue Blume in Liljas geschlossener Hand sehen. Sie konnte sich kaum losreißen von diesem Bild. Aber etwas in Liljas letzten Worten berührte sie, fasste sie an.
    Sie runzelte die Stirn.
    »Das rote Pferd …« Ein Gedanke formte sich in ihr, schwach noch und ohne Konturen. »Ist es noch hier?«
    Viorel nickte.
    »Karol hat es gezähmt. Es wird uns nicht wieder vergessen. Als wir von der Höhle zurückkamen, wartete es auf uns, auf dem Hügel.«
    Das rote Pferd … Die Muskeln in Minas Oberschenkeln erinnerten sich brennend an den wilden Ritt. Aber sie sah auch die flammende Mähne vor sich fliegen, so lebendig
und frei und so unverschämt rot. Durch den Holunder war es für sie geflogen, mitten in des Doktors Siegesrede hinein. Und sie hatte Karols Arme auf seinem Rücken um sich gespürt, so fest, so warm, so wirklich … Hatte das rote Pferd sich um Regeln geschert, um das, was sein sollte? Hatte sie sich auch nur eine Minute darum gekümmert, dass es gegen alle Sittlichkeit verstieß, wie Karol sie hielt?
    »Hilf mir auf, bitte«, sagte sie zu Viorel und ließ seine Augen auch dann nicht los, als sie sich vor Verblüffung weiteten. »Hilf mir auf, und wenn du kannst, dann hol das Pferd für mich. Ich muss es reiten. Jetzt. Jetzt gleich.«
    Sie redeten alle gleichzeitig, durcheinander, Sorge und Verwirrung brachen sich wie Wogen über Minas Kopf. Aber sie hielt Viorels Blick fest, seinen allein, und endlich, endlich zog Verstehen hindurch, und er lächelte schief, und die Kirschaugen blinzelten ihr zu.
    »Ich glaube«, sagte er leise, aber bestimmt, und die Stimmen der anderen Tater verstummten, »ich glaube, Mina hat Recht. Sie muss reiten.«
    »Aber, Mina«, rief Rosa, »liebste Mina, du hast genug getan! Du bist schwach und krank und voller Kummer, du musst ruhen und nicht reiten.«
    Mina lächelte, aber sie wandte dabei schon den Kopf und nickte zum schlafenden Peter hin.
    »Er ist der Sohn meiner Tante. Der Tante, bei der ich am Anfang war. Ich glaube … Nein, ich bin mir sicher. Wenn sie ihn zurückbekäme, würde sie nicht mehr mit Blumen sprechen und ihren Salon zwischen Spiegeln verbrennen.«
    Sie wagte nicht, die Tater schon wieder um eine Gefälligkeit zu bitten. Aber Viorel verstand sie ganz von allein.
    »Wir bringen ihn dorthin zurück«, sagte er und winkte
das neue Stimmenwirrwarr weg. »Tausendschön weiß den Weg. Es ist doch auch einmal etwas anderes, findet ihr nicht? Die Zigeuner bringen ein Kind zurück, statt welche zu stehlen.«
    Er lachte plötzlich, heiser und fröhlich.
    »Mina muss reiten«, sagte er dann noch einmal. »Reiten wie der Wind, auf dem roten Teufelspferd. Wir dürfen sie nicht aufhalten. Das «, und nur er und sie und vielleicht Lilja hinter ihrem Schweigen wussten, was er damit meinte, »das darf niemand aufhalten.«
     
    Sie umringten sie, brachten das geflickte grüne Bündel, die Waisenhausakten und den Selam, sauber auf dem Gras getrocknet, während sie geschlafen hatte. Und die Spieluhr, in lange, biegsame Blätter gewickelt, wie ein Päckchen von einer Fee, so dass nur das

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