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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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feinen Fädchen einer zweiten wiesenbunten Decke.
    »Ah«, sagte sie erneut, versuchsweise, sehr leise, und sofort erschien ein Gesicht über ihr.

    »Meine Kleine«, sagte Lilja und lächelte strahlend. »Meine Kleine, da bist du ja.«
    Mina war dankbar, dass Lilja keine Fragen stellte, vor allem nicht die nächstliegende. Sie hätte nicht zu sagen gewusst, wie sie sich fühlte. So nickte sie nur, und Lilja sagte:
    »Hier ist jemand, der schon dringlich darauf wartet, dich auch begrüßen zu können.«
    Eine wilde, kurze Hoffnung lang glaubte Mina, sie spräche von den beiden großen Schwänen. Sie versuchte, sich aufzurichten, aber es war keine Kraft in ihren Gliedern. Und schon während sie stöhnend zurücksank, wurde ihr klar, dass sie es nicht sein würden. Sie hörte keine Federn wispern unter dem Wind.
    Sie waren fort.
    »Verzeihen Sie«, schnurrte es hinter ihr, und etwas Glattes, Warmes rieb sich behutsam an ihrem Scheitel. »Verzeihen Sie, dass ich nicht sein kann, was Sie sich wünschen. Aber ich bin nur ein alter Kater, der froh ist, ein tapferes junges Fräulein endlich wiederzusehen. Sehr, sehr froh.«
    Für ein Mal schwang kein Spott in Tausendschöns Stimme, nicht das leiseste, prickelnde Fünkchen. Sein glattes Fell strich an Minas Wange entlang, und seine großen Kateraugen wurden noch größer und runder, als Mina ungelenk sagte:
    »Ich bin … auch … froh. Glaube ich.«
    Und es stimmte, sie war es wirklich. Irgendwo unter der Watte verborgen, entfaltete sich Freude in ihr wie eine Wiesenblume am Morgen. Freude darüber, ihn wiederzusehen, Freude, zurück bei den Tatern zu sein, auf dem sanften, friedlichen Hügel über dem Finsteren Stern. Freude, die Schlei zu riechen, so lebendig, so anders als das schwarze
Wasser in der Tiefe; die Bäume und das Gras zu hören, die sich um sie her leise unterhielten. Und es war sicher nur die Müdigkeit, die ihr in den Knochen stak, die Müdigkeit, die alles mit Watte zudeckte.
    »Wo sind … die anderen?«, fragte sie den Kater, aber er war zu sehr damit beschäftigt, ihr entgeistert auf den sprechenden Mund zu sehen, endlich einmal sprachlos verblüfft, und Lilja antwortete mit einem kleinen Lachen für ihn.
    »Sie sind alle hier, meine Liebe. Sie sind nur«, sie stupste den Kater sacht in die Flanke, »etwas geduldiger als gewisse ältere Herren im Frack.«
    »Nun«, sagte Tausendschön und strich sich hüstelnd über den prächtigen Schnurrbart, »die gewissen älteren Herren müssen eben mit ihrer Zeit haushalten, nicht wahr? Man weiß nie, wie viel man noch davon übrig hat.«
    Mina öffnete den Mund, lächelnd, aber über ihr tanzten plötzlich rote Schleifenbänder vor den Sternen, ein bunter Filzhut, und da waren Zinnis braune Wangen und Rosas Blütengesicht und Viorels verwegener schwarzer Bart. Sie hörte die Tater reden und lachen, alle durcheinander. Hatten sie alle um sie herumgesessen, die ganze Zeit über? Alle Tater hatten über ihren Schlaf gewacht? Alle, bis auf …
    Jetzt richtete sie sich doch auf, zwang die Ellenbogen dazu, sie zu stützen. Ihre Arme, das merkte sie unter der Decke, waren dick verbunden, und auch ihre Hände. Es fühlte sich an, als trüge sie Fausthandschuhe mitten im Sommer.
    »Wo ist Karol?«, fragte sie, und das Lachen zerstob auf den Tatergesichtern. »Wo ist Karol, kommt er nicht auch?«
    Sie wusste nicht, wieso, aber in diesem Moment spürte
sie deutlich, dass sie erwartet hatte, ihn hier zu sehen. Und wenn es auch nur als zarter weißer Schatten war, irgendwo zwischen den Bäumen …
    »Meine Mina«, sagte Lilja leise. »Meine liebe Mina. Schau, was der Morgenwind zu uns gebracht hat. Vor einer kurzen Weile erst.«
    Sie öffnete die Hand, die Feenglöckchen klingelten, und in den feinen Falten und Schwielen lag eine winzige hellblaue Blüte, mit Blättern wie ein kleiner Stern. Unter dem jungen, freundlichen Morgenlicht schien Minas Brust sich mit brüchigem Eis zu füllen, als sie sah, dass die Blütenblätter vertrocknet waren, die Ränder eingerollt und gerissen.
    Sie starrte sie an, und alle Freude verflog.
    Über ihr räusperte sich Nad.
    »Wir haben die Schwäne gesehen, Mina. Wir haben sie alle gesehen. Hoch oben am Himmel, bevor die Sterne verblassten. Die Schwäne sind zurück, und bald werden sie wieder auf allen Teichen schwimmen, allen verwunschenen Weihern, allen träumenden Seen.«
    Peter seufzte schwach im Schlaf.
    »So wild«, sagte Nad, »so schön. So lieblich und so mächtig zugleich. Niemals

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