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Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan

Titel: Der siebte Schwan - Mer, L: Der siebte Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilach Mer
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einem aufregenden Duft hinterher, schlug dort probeweise mit der Pfote gegen ein loses Steinchen. Ganz so, als wäre nichts geschehen.
    Erst als sie einen unvernünftigen, widersinnigen Ärger in sich aufbrodeln fühlte über sein Verhalten, hörte sie seine raue, volle Stimme schnurren.
    »Wann werden Sie es ihnen eigentlich mitteilen?«, fragte er und zupfte im Vorbeistreifen an einem langen Halm.
    Mina runzelte die Stirn. Was meinte er?
    Der Kater strich an ihrem Rock entlang.
    »Meine Güte, Ihr Kleid könnte wirklich eine Nadel und eine geschickte Hand vertragen … Denken Sie nicht, dass ich unhöflich bin, liebe Mina. Ich wüsste es nur gern. Denn dann wüsste ich auch, wann wir damit aufhören werden, ziellos im Wald herumzutappen.«
    Mina gelang es, ihn nicht anzusehen. Sollte er doch mit seinen Rätseln spielen, wenn es ihm gefiel. Sie würde ihn nicht fragen, was er damit meinte, auch wenn sie kein Wort verstand.

    Ziellos? Die Tater gingen so sicher unter den Bäumen dahin, sie schienen sehr genau zu wissen, was sie taten.
    Aber der Kater schüttelte den Kopf.
    »Kennen Sie das nicht, Mina? Wenn man auf etwas wartet, von dem man nicht genau weiß, wann es eintreffen wird? Man streicht in den Zimmern umher, setzt sich dort einen Augenblick ans Fenster, nimmt hier ein Buch auf, legt es wieder hin. Fährt mit den Fingern über die Tischplatte, die Blumen, den Schlüssel im Schrank. Vertreibt sich die Zeit auf müßige Weise. Wissen Sie, was ich meine?«
    Sie nickte, widerwillig.
    Er wiegte den Kopf.
    »Ihre Freunde tun nichts anderes. Der Wald ist ihr Wohnzimmer, in dem sie umhergehen, ihr Salon, ihr Eingangsflur. Sie vertreiben sich die Zeit, indem sie wandern, wie es ihre Art ist. Das ist alles. Sehen Sie das nicht?«
    Aber Mina hörte ihm nicht mehr wirklich zu. Ihre Gedanken hingen an einem Wort fest, einem einzigen, kurzen Wort, das er ganz beiläufig gesagt hatte.
    Freunde.
    Es brachte etwas in ihr zum Zittern, dieses Wort. Nicht Angst, nicht Unbehagen. Etwas anderes. Und es war so zerbrechlich wie Glas.
    »Aber Mina«, sagte Tausendschön. Es klang so belustigt wie vorwurfsvoll. Mit samtenen Pfoten blätterte er in ihren Gedanken.
    »Mina, meine Liebe, das müssen Sie doch wenigstens bemerkt haben. Natürlich sind sie Ihre Freunde. Weshalb wären sie sonst mit Ihnen hier?« Er seufzte schnurrend. »Wieder einmal benutzen Sie Ihren Kopf nicht richtig. Sie denken über die falschen Dinge nach. Er ist ganz erfüllt
davon. Obwohl ich sagen muss, dass er mir rein äußerlich jetzt sehr viel besser gefällt.«
    Mina sah weg und ärgerte sich über sich selbst. Ein Kater brachte sie in Verlegenheit! Aber ein kleiner Teil von ihr konnte nicht anders, als sich von seinen letzten Worten geschmeichelt zu fühlen.
    »Hören Sie auf damit«, befahl Tausendschön, »lassen Sie die dumme Grübelei. Sie nützt Ihnen nichts, im Gegenteil. Jetzt gibt es Wichtigeres zu tun, Dinge zu entscheiden. Ich frage Sie noch einmal, Mina, wann wollen Sie es ihnen endlich mitteilen?«
    Sie konnte nicht verhindern, dass sie ihn ratlos ansah. Und er fuhr sich mit der Pfote über das Gesicht, wie jemand, der entnervt die Stirn in die Handfläche sinken lassen will.
    »Gütiger Himmel, das dürfte doch offensichtlich sein! Der Weg, Mina! Sie müssen ihnen sagen, wohin der Weg jetzt gehen soll. Das ist Ihre Aufgabe. Weil es Ihr Weg ist. Nur Sie können es wissen.«
    Er hatte wohl etwas in ihrem hilflosen Blick gesehen, das ihn milder stimmte. Seine Stimme war weicher, als er weitersprach.
    »Ich weiß, Sie leiden. Sie haben auch schon vorher gelitten. Und, glauben Sie mir, Sie werden noch mehr leiden. Ihr Weg ist kein leichter Weg, kein Ausflug an einem schönen Tag. Das wissen Sie. Das wussten Sie schon, als Sie zum ersten Mal den Fuß vor die Tür gesetzt haben. Nun und?«
    Sie zog überrascht die Brauen zusammen. Er nickte mehrmals zur Bekräftigung.
    »Ja, ich meine, was ich sage. Es ist schwer, es ist furchtbar schwer. Nun und? So sind alle Dinge, die etwas bedeuten.
Weinen Sie, wenn Sie wollen. Toben Sie, wenn es Ihnen hilft. Aber setzen Sie weiter einen Fuß vor den anderen, auch wenn Sie Ihre Stiefelspitzen vor Tränen nicht mehr sehen können. Denn wenn Sie es nicht tun, Mina …«
    Wie Lampen leuchteten seine Augen auf.
    »Ach, kommen Sie, Sie wissen es doch längst. Wenn Sie diesen Weg nicht gehen können, dann ist verloren, weshalb Sie ihn begonnen haben. Niemand anderes wird ihn für Sie gehen. Wenn Sie nicht stark genug

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