Der siebte Sinn der Tiere: Warum Ihre Katze weiß, wann Sie nach Hause kommen, und andere bisher unerklärte Fähigkeiten der Tiere (German Edition)
sind geheimnisvoller als andere Formen von Vorahnung, weil sich dabei Einflüsse zeitlich rückwärts auswirken können, nämlich von der Zukunft auf die Gegenwart und von der Gegenwart auf die Vergangenheit. Eine derartige Vorstellung steht im Widerspruch zu unserer Gewissheit, dass die Ursache immer der Wirkung vorausgeht. Sie ist auch unvereinbar mit unseren Vorstellungen von der Gegenwart, weil sie davon ausgeht, dass es keine scharfen Trennungen zwischen Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit gibt.
Können wir diese Probleme und Paradoxien vermeiden? Lassen sich Vorahnungen ohne Präkognitionen oder Vorgefühle erklären? Manche Arten ja, andere vielleicht nicht. In diesem Kapitel untersuche ich die Fähigkeit von Tieren, Menschen vor inneren Gefahren wie bevorstehenden epileptischen Anfällen zu warnen. Aber zunächst einmal wollen wir uns mit dem biologischen Zusammenhang von Warnung und Alarm befassen.
Gefahr, Angst und Alarm
Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, was Angst ist. Wir fühlen, dass etwas Schlimmes bevorsteht. Wir werden aufmerksamer. Unser Herz schlägt schneller. Eine Ausschüttung des Hormons Adrenalin macht uns reaktionsbereit. Unser Gesicht wird blass, unsere Haare stehen zu Berge – in Extremfällen zittern wir vielleicht vor Entsetzen, und unser Schließmuskel löst sich. Angst ist eine Emotion, die wir mit nichtmenschlichen Lebewesen teilen und die wir leicht an ihnen erkennen können. Und diese Angst ist offensichtlich lebenswichtig, besonders im Hinblick auf Raubtiere.
Angst löst in jedem Lebewesen, das sich verteidigen kann, ein Abwehrverhalten aus. Sie kann dafür sorgen, dass Tiere rennen, tauchen, sich verstecken, erstarren, um Hilfe schreien, Zähne fletschen oder sich aufplustern. [239] Aber bei vielen Lebewesen, auch bei uns, ist Angst nicht bloß ein individuelles, sondern ein kollektives Gefühl. Bei Gesellschaftstieren sind das Auslösen von Alarm und die Kommunikation von Angst offenbar lebenswichtig. Viele Tiere reagieren auf Anzeichen von Gefahr, indem sie andere warnen. Sie lösen einen Alarm aus. Im Extremfall führt die Ausbreitung der Angst in der Gruppe zu Panik.
Manche Alarmreaktionen sind optisch. Eine Taube, die plötzlich auffliegt, bewirkt, dass die anderen Angehörigen ihrer Gruppe alarmiert werden und ebenfalls auffliegen. Der weiße Schwanzstummel von Kaninchen und von Weißwedelhirschen ist besonders auffällig, wenn sie rennen, und dient anderen Angehörigen der Gruppe als Alarmsignal.
Andere Formen von Alarm sind Gerüche, wie etwa die angsteinflößende Substanz unter der Haut von Elritzen, die austritt, wenn die Fische verletzt werden, und bewirkt, dass sich andere Angehörige des Schwarms, ja sogar Fische anderer Arten fernhalten. Auch Ameisen alarmieren andere Angehörige ihres Stammes vor einer Gefahr, indem sie Alarmsubstanzen absondern. [240] Andere gehen noch weiter: Aggressive, Sklaven machende Ameisenarten wie Formica subintegra verwenden diese Gerüche nicht nur zur Verteidigung ihrer eigenen Kolonien, sondern auch um ihre Opfer zu terrorisieren. Eine gewaltige Entladung von Alarmsubstanzen versetzt die angegriffenen Insekten in Panik und ermöglicht es den Angreifern, ihr Nest zu übernehmen, ohne viel kämpfen zu müssen. [241]
Viele Tierarten wie zum Beispiel Amseln haben spezielle Alarmrufe, die andere Angehörige ihrer Gruppe vor einer Gefahr warnen. Oft warnen sie auch Angehörige anderer Arten. Bellen ist der Alarmruf der Hunde. Seit Zehntausenden von Jahren haben sie sich dadurch nützlich gemacht, dass sie vor sich nähernden Menschen warnen und ihre menschlichen Gefährten vor anderen potentiellen Gefahrenquellen alarmieren. Das kann durchaus in den Frühstadien der Domestikation ihre allererste Funktion gewesen sein. [242]
Manche Hunde warnen, wenn sie potentielle Gefahrenquellen riechen, hören oder sehen können. Andere vermögen Absichten aufzuschnappen und so ihre Besitzer vor der bevorstehenden Bedrohung durch einen feindseligen Menschen zu warnen. Und wieder andere können Absichten über größere Entfernungen hinweg aufschnappen, etwa wenn sie wissen, wann ihre Halter heimkommen. Hier warnen sie natürlich nicht, sondern kündigen nur etwas an.
Hunde und andere Haustiere warnen uns vor Gefahren: Manchmal durch Alarmrufe, manchmal durch offenkundige Anzeichen von Angst und Kummer – oder indem sie praktische Maßnahmen ergreifen, um uns zu helfen oder uns zu beschützen.
Das Problem der Epilepsie
In Leesburg,
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