Der siebte Sinn der Tiere: Warum Ihre Katze weiß, wann Sie nach Hause kommen, und andere bisher unerklärte Fähigkeiten der Tiere (German Edition)
Motoji Ikeya und seine Kollegen an der Universität im japanischen Osaka Laborexperimente durchgeführt, bei denen sie einige Tierarten wie Elritzen, Welse, Aale und Regenwürmer schwachen elektrischen Strömen aussetzten. Fische zeigten panikartige Reaktionen, und Regenwürmer verließen fluchtartig den Boden, wenn der Strom eingeschaltet wurde. [280] Mit diesen ersten Befunden ließe sich das ungewöhnliche Verhalten von Tieren in Wasser und feuchten Milieus vor Erdbeben erklären. Wie aber steht es mit Tieren wie Hunden und Katzen im Inneren von Gebäuden? Reagieren sie etwa auf elektrisch geladene Ionen in der Luft? Viele Fragen bleiben also offen, doch sicher ist das ein vielversprechender Forschungsansatz.
Schließlich behauptet eine vierte Theorie, Tiere könnten vielleicht irgendwie im Voraus spüren, was demnächst geschehen wird, und zwar auf eine Weise, die das derzeitige wissenschaftliche Verständnis übersteigt. Mit anderen Worten: Sie sind vielleicht vorahnungsvoll – haben ein Gefühl, dass etwas geschehen wird – oder präkognitiv –, wissen also im Voraus, was geschehen wird.
Diese Hypothese wäre überflüssig, wenn sich alle Fakten befriedigend durch konventionellere Theorien erklären ließen. Viele Wissenschaftler, und dazu zähle ich mich auch, würden lieber die Vorstellung von Einflüssen außer Acht lassen, die rückwärts in der Zeit wirken, also von der Zukunft in die Gegenwart. Ich würde auf diese Idee gern verzichten, wenn ich nicht gezwungen wäre, sie ernst zu nehmen. Gegenwärtig erscheint die Elektrizitätstheorie hinreichend vielversprechend, um es zu rechtfertigen, um die zweite, eher radikale Möglichkeit zu ignorieren.
Das Problem ist nur, dass es, wie wir gleich sehen werden, andere Arten von Vorahnung durch Tiere gibt, die sich nicht mit Hilfe elektrischer Phänomene erklären lassen. Ob uns das nun gefällt oder nicht – offenbar gibt es tatsächlich so etwas wie präkognitive Vorahnungen. Und wenn sie in anderen Situationen auftreten, dann spielen sie vielleicht auch bei Vorahnungen im Hinblick auf Erdbeben eine Rolle.
Warnungen vor Tsunamis
Am 26. Dezember 2004 durchbrach eines der stärksten je gemessenen Erdbeben mit der Stärke 9,1 den Meeresboden vor der Westküste von Sumatra. Es löste eine Reihe verheerender Tsunamis im Indischen Ozean aus, durch die über 200000 Menschen umkamen und Küstengemeinden von bis zu 30 Meter hohen Wellen überrollt wurden.
Viele Tiere entkamen den Tsunamis jedoch. Elefanten in Sri Lanka und auf Sumatra flüchteten sich auf höheres Terrain, bevor die Riesenwellen zuschlugen, ebenso in Thailand, wo sie zuvor laut trompeteten. Ein Dorfbewohner von Bang Koey in Thailand berichtete, eine Herde Wasserbüffel hätte am Strand geweidet, als sie »plötzlich die Köpfe hoben und mit aufrecht stehenden Ohren aufs Meer hinaussahen«. Dann rasten sie den Hügel hinauf, gefolgt von verblüfften Dorfbewohnern, die dadurch gerettet wurden. Am Ao-Sane-Strand bei Phuket rannten Hunde die Hügel hoch, und in Galle in Sri Lanka waren Hundebesitzer ratlos, weil ihre Tiere sich weigerten, wie jeden Morgen am Strand entlangzuspazieren. Im Distrikt Cuddalore in Südindien entkamen Büffel, Ziegen und Hunde, ebenso eine Kolonie Flamingos, die auf höheres Terrain flogen. Auf den Andamanen-Inseln zogen Gruppen von Stammesangehörigen vor der Katastrophe von der Küste weg, alarmiert durch das Verhalten von Tieren.
Wie konnten die das wissen? Die übliche Spekulation lautet, die Tiere hätten durch das Seebeben ausgelöste Erschütterungen verspürt. Das überzeugt nicht. Um den ganzen Indischen Ozean herum, nicht bloß in den betroffenen Küstengebieten, hätte es Erschütterungen gegeben. Und wenn Tiere Erdbeben und Tsunamis durch das Spüren geringer Erschütterungen vorhersagen können, warum können es dann nicht auch die Seismologen?
Wie bei Erdbeben könnte man auch für Tsunamis ein Warnsystem errichten, indem man die Menschen in Küstengebieten auffordert, nach ungewöhnlichem Verhalten von Tieren Ausschau zu halten und ihre Beobachtungen über eine leicht zu merkende Telefonnummer oder eine Internetseite weiterzugeben. Handys sind ja inzwischen so weit verbreitet, dass selbst in abgelegenen Gegenden Menschen leicht den Kontakt zu einem Tsunami-Warnzentrum aufnehmen können. Ein solches Warnsystem wäre auch relativ preiswert. Doch nationale wie internationale Tsunami-Warnprogramme ignorieren noch immer die Tiere. Wieder einmal schränken
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