Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
klügste war. Außer den Wachen war niemand hier. Vielleicht hätte er woanders hingehen müssen. Vielleicht hatte die Indigo-Brillanz einen Scherz mit ihm getrieben?
„Ich… ich möchte die Imperatorin sprechen“, stotterte Tal. Die Deluminanten an seinem Handgelenk klapperten, während er sprach, und erinnerten ihn daran, wie dicht er vor einer Degradierung zu den Roten oder vor noch Schlimmerem stand. Vielleicht hatte er sich allein durch seine Anwesenheit noch mehr Deluminanten eingehandelt.
„Du willst die Imperatorin sprechen?“, wiederholte Ethar grimmig. Sie ging zu Tal hinüber und sah ihn an.
Ihr Geistschatten war ihr gefolgt und stellte sich mit allen vier Armen ausgestreckt vor Tal, so als wollte er jeden Augenblick zupacken.
„Ja“, sagte Tal. „Ich möchte sie um einen neuen Sonnenstein für meine Familie bitten. Wir haben nämlich unseren Erhabenen Sonnenstein verloren, weil mein Vater vermisst wird…“
„Wie heißt du?“, unterbrach Ethar seinen Redefluss.
„Tal Graile-Rerem“, sagte Tal. „Mein Vater Rerem ist ein Scheinender des vierten Kreises. Er… er war auf einer Mission für die Imperatorin und wird seitdem vermisst.“
Aus dem Augenwinkel konnte Tal sehen, dass Ethar den Namen seines Vaters zumindest kannte, denn sie drehte sich einen Moment zu den anderen Wachen um.
„Und weshalb, Tal, sollten wir dich zur Imperatorin vorlassen?“
„Ähm, weshalb?“, wiederholte Tal. „Weil ich Eure Hilfe brauche?“
Alle Wachen lachten über diese Bemerkung, Ethar trat einen Schritt zurück und flößte ihm nicht mehr ganz so viel Angst ein. Ihr Geistschatten zog sich ebenfalls zurück und verringerte seine Größe, bis er zu ihren Füßen lag.
Tal stieß einen kleinen, erleichterten Seufzer aus. Was auch immer er gesagt hatte: Sie schienen jetzt freundlicher zu sein.
„Das ist nicht ganz so einfach“, erklärte Ethar. „Wenn du die Imperatorin sprechen willst, musst du zuerst die Ältesten deines Ordens fragen und Pässe von ihnen bekommen. Ich nehme an, dass du das nicht getan hast?“
„Nein“, sagte Tal betreten. Er dachte an Schattenmeister Sushin, den Hellstern des Orange-Ordens. Er würde Tal niemals einen Pass geben. „Ich glaube nicht, dass sie mir einen geben würden.“
Die Wachen lachten wieder. Plötzlich war Tal eher wütend als traurig. Was war denn so lustig daran, dass seine Familie in Schwierigkeiten war und er sein Bestes gab, um zu helfen?
„Nun, da du schon einmal hier bist“, meinte Ethar mit einem Lächeln, das sich langsam über ihrem Gesicht ausbreitete, „könnten wir eigentlich ein kleines Spiel spielen. Wenn du gewinnst, lassen wir dich durch. Wenn du verlierst, darfst du… lass mich überlegen… mir deinen Sonnenstein geben.“
„Was für ein Spiel?“, flüsterte Tal. Es war eine Chance. Aber wenn er seinen Sonnenstein verlöre, würde er auch seinen Schattenwächter verlieren. Er würde nicht mehr länger ein Erwählter sein. Er würde sich zum Untervolk gesellen müssen.
Ethar zeigte auf einen kleinen Tisch, der zwischen zwei Wächtern stand. Tal erkannte die Tischplatte sofort, da sie als Spielfeld gestaltet war. Auf beiden Seiten gab es eine Reihe von sieben eingelassenen Rechtecken, in der Mitte war ein Feld aus weißem Marmor. Ein Stapel großer Spielkarten lag auf dem kreisrunden Marmorfeld.
„Beastmaker“, sagte Ethar. „Nimmst du die Herausforderung an?“
Tal wusste, wie Beastmaker gespielt wurde, obwohl das Spiel selten war, denn niemand wusste mehr, wie die Tische oder die Karten hergestellt wurden. Aber Großonkel Ebbitt hatte so ein Spiel und Tal hatte recht oft mit ihm gespielt. Viel öfter, als es jemand von einem orangefarbenen Jungen erwarten würde.
„Ja“, sagte Tal und er wusste, dass er mit diesem einen Wort sein Schicksal besiegelt hatte. Er würde die Imperatorin sehen oder sich zum Untervolk gesellen.
Alles hing von dieser einzigen Partie Beastmaker ab.
KAPITEL ACHT
Tal setzte sich an den Spieltisch gegenüber von Ethar. Nun, da er die Herausforderung angenommen hatte, war er eigenartig ruhig. Er warf einen Blick auf die sieben rechteckigen Vertiefungen in der Tischplatte vor sich. Natürlich wusste er, wozu sie da waren, aber er wollte lieber den Unwissenden spielen. So würde Ethar ihn vielleicht unterschätzen.
„Was bedeuten die noch?“, fragte er und zeigte auf die Rechtecke.
„Intelligenz, Herz, Temperament, Haut, Schnelligkeit, Stärke und Joker“, gab Ethar knapp
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