Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
leuchteten. Als Tal an einer der Röhren vorbeikam, fasste er sie an. Die Klumpen schwammen zu seinem Finger und er konnte sehen, dass es Wasserwesen waren.
„Leuchtquallen“, sagte die Crone. „Sie sind unter dem Eis nicht leicht zu fangen.“
Sie ging zwischen schlafenden Eiscarls hindurch, die nur in ihre Felle eingerollt an den gebogenen Seitenwänden des Schiffsrumpfs lagen. Tal gab Acht, damit er nicht auf einen von ihnen trat – die meisten schliefen mit der Waffe in der Hand und manche öffneten ein Auge, als er näher kam.
Als Tals Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er, dass der große Raum unterteilt war. Es waren aber nur dicke Vorhänge anstatt Wände und Türen. Vorhänge aus Fellen und glänzenden schwarzen Häuten.
Die Crone führte Tal zu einem dieser Vorhänge und zog ihn zur Seite. Dahinter lag eine kleine Kammer. In der Mitte stand ein niedriger Tisch umgeben von Kissen aller Formen und Größen.
„Setz dich“, sagte die Crone, als sie die Urne abstellte. Tal setzte sich und berührte die glatte Urne, so als könnte er seinen Schattenwächter durch den gebrannten Ton spüren.
Milla setzte sich ebenfalls. Allerdings so weit von Tal entfernt, wie sie nur konnte. Die Crone ging wieder hinaus und ließ die beiden allein.
Eine Zeit lang versuchte Tal, Millas stechendem Blick standzuhalten. Doch nachdem sie ihn ein paar Minuten angeschaut hatte ohne zu blinzeln, gab er auf und sah weg. Sie lachte. Es war ein höhnisches Lachen, das ihn wütend machte. Aber er konnte nichts tun. Sie wollte, dass er sie mit seinem Sonnenstein angriff. Das wusste Tal.
Sie suchte einen Grund, um gegen ihn kämpfen zu können.
KAPITEL SIEBZEHN
Noch bevor Milla und Tal auf einander losgehen konnten, kam die Crone wieder herein. Sie brachte eine Schale, deren Inhalt dampfte und ziemlich abscheulich roch. Sie stellte die Schale ab und gab Tal etwas, das wohl eine Gabel sein sollte. Sie war aus Knochen hergestellt und hatte nur zwei Zinken.
„Selski-Fleisch“, erklärte die Crone. „Das Lebenselixier unseres Volkes. Wir gehen dahin, wo die Selski hingehen und fangen die alten, kranken und schwachen. Selski-Fleisch füllt unsere Mägen, aus Selski-Haut machen wir Kleider und Segel, aus Selski-Knochen fertigen wir Werkzeuge und Waffen und Selski-Innereien werden zu Saiten für unsere Harfen.“
Sie sah, wie Tal die Nase rümpfte. „Es schmeckt besser als es riecht“, fügte sie hinzu und schob Tal die Schüssel hin.
Zögernd spießte Tal ein Stück Fleisch auf und nahm es in den Mund. Als er es schmeckte, wurde er geradezu gierig. Es schmeckte ganz gut, doch schließlich war er auch furchtbar hungrig.
Die Crone ging, während er aß. Milla hingegen blieb sitzen und starrte ihn an. Sie blinzelte nur, während Tal gerade wegsah. Sie aß nichts.
„Weshalb nimmst du nichts davon?“, fragte Tal, als er genug gegessen hatte. Er schob zögerlich die Schale zu ihr, so als wollte er ihr ein Friedensangebot machen.
„Eine Schildjungfrau isst nicht in Anwesenheit eines Gefangenen“, sagte Milla schnippisch. „Eine Schildjungfrau schläft auch nicht in Anwesenheit eines Gefangenen. Eine Schildjungfrau…“
„Tal ist kein Gefangener“, unterbrach sie die Crone, die gerade wieder hereingekommen war. Sie hielt den Vorhang auf, um jemanden hereinzulassen.
Es war eine sehr alte Frau. Eine gebeugte, bucklige und sehr gebrechliche Dame nicht viel größer als Gref. Sie schaute Tal an und er konnte sehen, dass ihre Augen milchig waren und keine Pupillen hatten. Sie war offensichtlich blind.
Ihre Gegenwart hatte eine erstaunliche Wirkung auf Milla. Sie sprang auf und schlug die geballten Fäuste zum Gruß zusammen.
„Mutter-Crone!“, rief Milla.
Tal stand auf, denn das schien man jetzt von ihm zu erwarten. Aufgrund von Millas Ausruf nahm er an, dass diese blinde alte Dame wichtiger war als die Crone.
„Dies ist die Mutter-Crone, sehr alt und weise“, sagte die Crone und führte die alte Frau hinüber zu Tal. „Sie ist gekommen, um zu sehen, was die Zukunft für dich bereithält, und uns bei der Entscheidung zu helfen, was wir mit dir machen sollen.“
Die alte Frau sagte nichts. Sie nahm Tals Hände in ihre eigenen und drehte die Handflächen nach oben. Dann fuhr sie mit einem sehr gelben Fingernagel die Linien seiner Handflächen ab.
Tal ließ sie gewähren – allerdings nur, weil Milla da war und er genau wusste, dass sie ihm etwas antun würde, wenn er seine Hand
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