Der siebte Turm 01 - Sturz in die Dunkelheit
sicherer ist, wenn alle Erwählten zusammen sind“, sagte Ebbitt. „Und es war auch nicht immer verboten. Ich war selbst schon allein dort. Mehrmals.“
Tal dachte noch einmal darüber nach. Er schien keine Wahl zu haben.
„Was wird mit unseren Körpern geschehen, wenn wir gehen?“, fragte er schließlich. „Wir können sie doch nicht hier zurücklassen. Schließlich könnten wir wochenlang fort sein.“
„Was ist Aenir?“, fragte Milla plötzlich. „Weshalb sollten wir unsere Körper verlassen?“
„Aenir ist die Geistwelt“, erklärte Tal. „Es ist ein anderes Land, das die Erwählten betreten können. Wir lassen unsere Körper hier und unsere Geister gehen dort hin.“
„Ah, wie ein Traum“, sagte Milla.
„Nein“, gab Tal zurück. „Es ist Wirklichkeit, aber anders. Wenn du Kraft und einen mächtigen Sonnenstein hast, kannst du Dinge mit dorthin nehmen – und wieder mit hierher bringen. Es ist ein Ort der Magie. Die Samen, aus denen Sonnensteine wachsen, kommen aus Aenir. Und die Geistschatten.“
„Die Heimat der Schatten“, flüsterte Milla. „Vielleicht sollte ich mir das ansehen, um den Cronen davon zu berichten.“
„Wir können nicht dorthin gehen, bevor unsere Körper in Sicherheit sind“, sagte Tal. „Es hat also keinen Zweck, jetzt darüber zu diskutieren.“
„Das Mausoleum“, sagte Ebbitt plötzlich. „Ein guter Ort für Körper. Ob tot oder lebendig!“
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
Das Mausoleum war der Ort, an dem die Erwählten zur letzten Ruhe gebettet wurden. Es war selten, dass Erwählte jung starben, denn ihr Leben konnte normalerweise mit Hilfe eines Sonnensteins verlängert werden. Doch es gab immer wieder Unfälle und manche waren auch des Lebens müde oder begingen Fehler mit den Heilkräften ihrer Steine.
Das Mausoleum in den neutralen Ebenen der südlichen Seite nahm den zweitgrößten Saal im Schloss ein. Es war aus dem Fels geschlagen worden. Die gewölbte Decke aus lauter kleinen Sonnensteinen erschien wie ein Himmel voller Sterne. Anders als der Rest des Schlosses war das Mausoleum ansonsten nicht heller beleuchtet. Es war in ein sich hebendes und senkendes Zwielicht getaucht, wie ein Nachthimmel, den man vielleicht oberhalb des Schleiers sehen konnte.
Jeder einzelne Erwählte ruhte in einem aufwändig dekorierten Steinsarg, auf dem wiederum eine Statue des jeweiligen Geistschattens stand. Die riesige Halle war gefüllt mit Reihen und Reihen fantastischer Statuen, die Geistschatten waren aus weiß-rotem Marmor, Grünstein oder schwarzem, goldgesprenkeltem Granit gehauen. Viele waren mit Gold oder Silber oder mit einfachen, matten Diamanten und Rubinen verziert.
Da keine Kapillaren des Kühlsystems in das Mausoleum mündeten, brachte Ebbitt sie in der Nähe heraus. Sie schlichen durch einen Raum, in dem sich glücklicherweise weder lebende noch tote Erwählte aufhielten.
Anstatt mit ihnen durch das riesige Metalltor zu gehen, das mit den Namen der toten Erwählten beschriftet war, führte Ebbitt sie durch eine unbeschriftete Tür in die Werkstatt der Steinmetze aus dem Untervolk.
Eine Steinhauerin, die dort arbeitete, sah sie an, doch Ebbitt hob die Hand und so wandte sie sich wieder ihrer monotonen Arbeit an einem gelbgrünen Steinblock zu. Die Untervölkler nahmen alle groben Arbeiten an den Statuen vor, die dann von Künstlern der Erwählten mit Licht anstatt der klobigen Metallwerkzeuge fertig gestellt wurden – ganz abgesehen von ihrer überlegenen Kunstfertigkeit.
„So. Alles, was wir jetzt noch tun müssen, ist zwei sehr alte Särge zu finden“, flüsterte Ebbitt, als sie die Werkstatt verließen und das Mausoleum durch eine unauffällige Tür betraten.
„Wie bitte?“, flüsterte Tal zurück. Er hielt es irgendwie für unhöflich, im Mausoleum laut zu sprechen, obwohl niemand in der Nähe zu sein schien, der sie hören konnte. Milla suchte aufmerksam die Reihen ab und achtete genau darauf, ob sich etwas bewegte.
„In der Nordecke“, sagte Ebbitt und führte sie an einer Reihe von Särgen und Steinen entlang. „Die ältesten. Nichts als Staub mehr drin. Nicht so abstoßend. Einfach rausfegen und hineinliegen.“
„Ihr lasst Körper in diesen Steinkisten verrotten?“, fragte Milla mit einem Schaudern. Es war das erste Mal, dass Tal an ihr ein sichtbares Zeichen von Abscheu entdeckte. „Gibt er hier denn keine Tiere, die sie fressen könnten?“
„So werden die Dinge hier gemacht“, sagte Tal. „Eben anders, das
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