Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten
denke, wir könnten…“, begann Adras, verstummte aber sofort wieder.
„Wir könnten was?“, fragte Tal.
„Odris folgen?“, schlug Adras hoffnungsvoll vor.
„Aber wir wissen nicht, wohin sie gegangen ist.“ Tal begann, langsam die Geduld zu verlieren.
„Ich weiß nicht, wohin Odris gegangen ist, aber ich kann sie finden“, erklärte Adras voller Eifer. „Sie wird es dem Wind zuflüstern, der es mir sagen wird.“
„Und du denkst, Odris weiß etwas über den Kodex?“ Tal war durch den blau-goldenen Käfer abgelenkt, der so aufgeregt um ihn herum gesummt war. Jetzt waren es zwei Käfer und gerade kam ein dritter hinzu. Schließlich folgte noch ein vierter. Sie formierten sich geradewegs vor seinem Gesicht zu einem Muster.
„Könnte sein“, sagte Adras. „Odris hat immer mehr mit Besuchern gesprochen als ich.“
Tal hörte nicht richtig zu. Mehr und mehr Käfer waren herangeflogen. Jetzt waren sie vor ihm gelandet und ordneten sich zu einem deutlich erkennbaren Muster an.
Tal sah erstaunt hinunter. Fünfzig oder sechzig dieser Käfer hatten einen Pfeil gebildet, der nach Südosten zeigte. Mindestens noch einmal so viele Käfer formten ein Symbol neben dem Pfeil.
Das Symbol war vielleicht zu drei Vierteln vollendet, als Tal erkannte, was es war. Der Buchstabe des Erwählten-Alphabets, der für Lichtmagie stand. Der Buchstabe K.
„K!“, sagte Tal. „Ist das K wie Kodex?“
„Was?“, fragte Adras. Er lehnte sich vor, um sich die Käfer anzusehen. Unglücklicherweise blies sein Atem die Hälfte von ihnen weg, gerade als sie einen zweiten Buchstaben bilden wollten – wahrscheinlich, um Tals Frage zu beantworten. Es sah aus wie ein J, doch die Käfer waren weggepustet, bevor sie fertig waren.
Tal holte tief Luft.
„Was?“, fragte Adras noch einmal. Er war völlig durcheinander. Die Käfer formten jetzt kein Muster mehr. Sie krabbelten nur noch ziellos umher oder flogen davon.
„Das war eine Nachricht“, sagte Tal. Er zeigte in die Richtung, in die der Pfeil aus Käfern gedeutet hatte. „Wir gehen hier entlang.“
„Aber Odris ist in dieser Richtung“, sagte Adras und zeigte mehr nach Norden als nach Osten.
Tal zögerte. Er hatte keine Möglichkeit festzustellen, wer die Käfer geschickt und wie das funktioniert hatte. Doch den Kodex zu finden war wichtiger als alles andere.
Mit seiner Hilfe konnte er herausfinden, wer seinen Bruder Gref gefangen hielt. Und noch eine Menge mehr.
Er warf einen Blick auf die Narben an seinem Handgelenk. Die Spuren des Eides, den er zusammen mit Milla geleistet hatte. Dann zog er entschlossen den Ärmel darüber und begann zu marschieren.
KAPITEL ACHT
Milla wachte genau zu dem Zeitpunkt auf, den sie sich eingeprägt hatte: beim Ausatmen des vierzehnhundertsten Atemzugs.
Die Nacht war zu Ende und die Sonne ging gerade auf. Milla starrte fasziniert hin. Es sah wirklich aus, als würde ein riesiger Sonnenstein hinter den Hügeln aufsteigen.
„Dem Himmel sei Dank, dass du wach bist“, sagte Odris. „Ich war so furchtbar müde.“
Milla sah zu ihr hinüber. Sie musste immer daran denken, wie die Kreatur wohl als Schatten aussehen würde.
„Du kannst dich jetzt ausruhen“, sagte sie knapp. „Ich halte Wache.“
„Oh, ich bin jetzt nicht mehr müde“, meinte Odris. „Weil nämlich die Bindung zwischen uns…“
„Es gibt keine Bindung zwischen uns!“, stieß Milla wütend hervor. „Und wenn doch, dann ist es eine falsche!“
Odris gab keine Antwort. Sie flog ein kleines Stück weiter weg, um Milla mehr Platz zu schaffen.
Milla streckte sich ein wenig, wobei sie ihre schmerzenden Prellungen ignorierte. Jetzt, bei Tageslicht, konnte sie sehen, dass ihre Beine voller dunkler Flecke und Abschürfungen waren. Ihre Gelenke waren höchstwahrscheinlich geschwollen. Es würde nicht einfach sein weiterzugehen.
Doch das war auch gar nicht nötig, denn sie hatte beschlossen, dass die Sturmhirtin ihr helfen würde.
„Odris!“, rief sie. Die Sturmhirtin kam näher.
„Trage mich“, befahl Milla ihr und streckte die Arme aus. „Wir werden zur nächsten Wasserstelle fliegen. Ich muss etwas trinken und mich waschen.“
Odris griff nach unten und umfasste mit ihren wolkigen Fingern Millas Unterarme. Dann richtete sie sich mit ein paar ungeschickten Bewegungen auf und hob Milla einige Spannen in die Luft.
Sie flogen Richtung Westen, doch Odris konnte Milla nicht besonders hoch heben. Manchmal sank sie sogar so tief, dass Millas
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