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Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten

Titel: Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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zu wandern.“
    „Ich möchte nicht reden“, sagte Milla. „Lass mich gehen.“
    Das Wasser lächelte. Die Mundwinkel wanderten nach oben.
    „Nein, nein“, sagte es. „So einfach ist das nicht. Ich bin hier angebunden und muss meine Rolle spielen. Du kamst hierher und musst die deine spielen.“
    „Welche Rolle?“, fragte Milla. „Ich bin keine Sängerin, die die Stimmen anderer imitieren kann.“
    „Du trägst einen Sonnenstein“, sagte das Gesicht. „Und ich sehe, du hast einen Sturmhirten. Ich nehme an, dass er dazu bestimmt ist, dein neuer Geistschatten zu werden, und du bist eine Erwählte, die ihn jüngst an sich gebunden hat. Meine Glückwünsche.“
    „Ich bin keine Erwählte“, erwiderte Milla, doch ihre Worte wurden von einem Donnerschlag übertönt, der über ihr erscholl. Blitze schlugen in das Wasser.
    „Du wirst von einem wütenden Sturmhirten beschützt“, sagte das Gesicht und lächelte wieder. „Aber Blitze können einem See nichts anhaben. Einem Erwählten dafür umso mehr.“ Eine Hand voll Wasser schoss dort hervor, wo das Kinn des Gesichts sein mochte und umkreiste Millas Fuß.
    Sie versuchte, ihn zu heben, doch er war wie angeleimt. Sie konnte nur ihre Ferse einen Finger breit vom Boden heben, bevor das Wasser sie wieder nach unten zog.
    Milla überlegte, ob sie das Wasser abschneiden sollte. Doch das würde höchstwahrscheinlich nichts bringen und würde sie nur lächerlich aussehen lassen. Einmal mehr bereute sie, dass sie nicht mit ihrem Sonnenstein umzugehen wusste. Ein anständiger Strahl damit würde das Wasser wie Selski-Blubber in einem Topf kochen lassen. Sie nahm an, dass das Wasser es nicht mögen würde, in Dampf verwandelt zu werden.
    Doch sie wusste nicht, wie sie einen Strahl abfeuern konnte. Und sie konnte nicht gegen das Wasser kämpfen. Das war eine sehr ungewöhnliche Erfahrung. In der Dunkelwelt gab es nichts, gegen das sie nicht wenigstens kämpfen konnte.
    „Was willst du?“, fragte sie wieder.
KAPITEL NEUN
     
     
     
    „Ein Spiel spielen“, sagte das Gesicht. „Wir werden ein Rätselspiel spielen. Wenn du drei Rätsel richtig lösen kannst, werde ich dich gehen lassen. Ich werde dir sogar ein Geschenk machen. Für jedes Rätsel, das du nicht lösen kannst, bleibst du hundert Tage bei mir und unterhältst dich mit mir. Wie ich schon sagte, ist es hier recht einsam. Zu viele Reisende wissen von meiner Vorliebe für eine gute Unterhaltung…“
    Rätsel waren unter Eiscarls sehr beliebt, doch Milla war darin noch nie gut gewesen und hatte sich auch nie sonderlich dafür interessiert. Rätseln war eigentlich eine Cronen-Sache. Oder eine für Sänger und Schwert-Thanen.
    „Kann ich nicht dir drei Rätsel stellen?“, fragte sie. Sie durfte sich keinesfalls auch nur einen Tag hier gefangen halten lassen, geschweige denn hundert.
    „Nein“, gab das Gesicht zurück. Es schürzte seine großen, wässrigen Lippen. „Es ist mein Spiel und nicht deines.“
    „Kann ich Odris – meine Sturmhirtin – bitten, für mich zu antworten?“, fragte Milla.
    „Ja, aber nur bei einem Rätsel“, sagte das Gesicht nach einem Augenblick des Nachdenkens. „Bist du bereit?“
    Milla nickte.
    „Hier ist das erste Rätsel“, sagte das Gesicht.
     
    Der Kopf der Jungfrau, still wie gestorben
    Ruhig, kalt und doch nicht verdorben
    Ihr langer Zopf zum Himmel drängt
    Wenns trocken ist, das Haar versengt
    Für Kreatur und Mensch ein Schmaus
    Find‘ ihren Namen und den des Haars heraus.
     
    Milla hörte zu, ohne die Miene zu verziehen und prägte sich die Worte ein. Odris kam langsam zu ihr herabgeschwebt.
    „Ich weiß es“, sagte die Sturmhirtin eifrig. „Es ist…“
    „Schweig“, befahl Milla. Sie wollte die Hilfe ihrer Begleiterin nicht so schnell verspielen. Wenn das Gesicht ihr ein Rätsel stellen würde, das Kenntnisse über Aenir zugrunde legte, würde sie Odris brauchen, so sehr sie es auch hasste.
    „Aber ich weiß es!“, rief Odris. „Weshalb bist du nur so kompliziert? Ich wünschte, ich hätte den anderen gewählt.“
    Milla achtete nicht auf sie. Sie ging alle Rätsel durch, die sie kannte. Die Antworten auf die meisten Eiscarl-Rätsel lagen im täglichen Leben. Das konnte auch hier der Fall sein. Doch wie war schon das tägliche Leben dieses Gesichtes im Wasser? Hier gab es nichts als den See und was auch immer darin war…
    Was darin war. Das war der Hinweis. Milla lachte, als sie in das Wasser sah. Es hatte die ganze Zeit vor ihren Augen

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