Der siebte Turm 04 - Jenseits der Grenze
davonlaufen konnte, packte Jarnil den Jungen am Ärmel und beugte sich dicht vor sein Gesicht.
„Über die Eiscarls weiß ich nur das, was Ebbitt mir erzählt hat, und der hat es von dir“, flüsterte er. „Sind sie so stark und kriegerisch wie Ebbitt sagt? Du siehst, dass ich mir nicht sicher bin, ob es so gut war, Milla mit all diesen Nachrichten ziehen zu lassen.“
„Sie sind kriegerisch“, gab Tal leise zurück. Er biss sich auf die Lippe, bevor er fortfuhr. „Aber sie sind auch ehrenhaft. Sie halfen mir, zum Schloss zurückzukehren. Milla hat mehrere Male mein Leben gerettet.“
„Ich weiß, dass es einem schwer fällt, von einem Lebensretter als Feind zu denken“, sagte Jarnil. „Aber was glaubst du, was die Eiscarls tun werden, wenn sie von einem Weg ins Schloss hören? Ebbitt sagt, Milla wäre wegen eines Sonnensteins hierher gekommen und dass sie in der anderen Welt selten wären. Wie ich es verstanden habe, gibt es dort verschiedene Banden oder Stämme. Was ist, wenn einer davon das Schloss wie ein Lagerhaus betrachtet, das man plündern kann? Würden sie trotz des Wissens über unsere überlegene Magie riskieren, uns anzugreifen?“
„Das weiß ich nicht“, gab Tal zurück. „Könnte sein.“
„Wir müssen vorsichtig sein, Tal“, murmelte Jarnil. „Diese Eiscarls sind Außenweltler. Ich bin vielleicht dafür, Untervölkler zu befördern, aber sie sind wenigstens Schlossbewohner. Ich möchte, dass du mir versprichst, bei der nächsten Gelegenheit die Imperatorin vor der möglichen Gefahr eines Angriffs der Eiscarls zu warnen. Oder ein paar vertrauenswürdige Erwählte.“
„Ich werde darüber nachdenken“, sagte Tal. Es war schwierig, es nicht versprechen. Es war für ihn noch immer so, als wäre Jarnil der Lektor und er der kleine Junge. Er hatte das Gefühl, sich verbeugen und als Respektsbezeugung Licht von seinem Sonnenstein anbieten zu müssen.
„Tu es“, instruierte Jarnil ihn. Er ließ Tal stehen und ging davon. Sein Arm zuckte an seiner Seite.
„Vergiss, dass du das gehört hast“, sagte Tal zu Adras, als sie zu der Hütte gingen, auf die Jarnil gedeutet hatte.
„Was soll ich vergessen?“, fragte Adras.
„Vergiss es.“ Tal schüttelte den Kopf.
„Was?“, fragte Adras. „Was?“
„Nichts!“, rief Tal. „Denk einfach nicht mehr darüber nach.“
Adras schnaubte und schoss nach oben, um über Tal zu schweben. Einen Augenblick später ging ein harmloser Regen aus Schattentropfen auf Tals Kopf nieder. Er ignorierte ihn und öffnete die Tür. Adras blieb grollend draußen.
KAPITEL VIERZEHN
In der Hütte – oder vielmehr in dem großen Kellerraum darunter – wühlte Crow durch einen Haufen seltsamer Kleider. Großonkel Ebbitt lag schlafend in einer Hängematte, die in einer Ecke aufgehängt war. Sein Geistschatten lag neben ihm. Als Tal die Stufen herunterkam, öffneten Ebbitt und sein Schatten je ein Auge.
„Hüte dich vor den Stimmen sensibler Menschen, die beinahe richtig singen und den ganzen Text kennen“, sagte Ebbitt.
Tal seufzte. Ebbitt war manchmal ebenso schlimm wie Adras.
„Komm hier rüber und probier das hier an“, sagte Crow. Er klang freundlicher als früher.
Crow gab ihm zwei weiße Roben. Die erste war leicht, wahrscheinlich die Standardkleidung des Untervolks, doch die andere bestand aus einem schwereren, glänzenderem Material. Crow gab ihm außerdem eine Maske mit einer langen Schnauze und kristallklaren Augeneinsätzen. Dann bekam Tal noch ein Paar Clogs aus Kristall.
Tal zog beide Roben an. Die äußere war warm und schwer, denn das Gewebe atmete nicht. Die Maske wirkte wie ein riesiger Rattenkopf, wobei die Schnauze mindestens so lang wie Tals Unterarm war. Sie hatte Löcher am Ende, war jedoch zum größten Teil mit einem schwammartigen Material gefüllt.
„Was ist das?“, fragte Tal, bevor er die Maske anzog. Sie passte sehr eng an sein Gesicht und unter sein Kinn und wurde mit verstellbaren Riemen hinter dem Kopf befestigt.
„Eine Filtermaske“, sagte Crow. „Wir sind jetzt als Höhlenschaben-Sprüher verkleidet. Die Masken filtern das Gift heraus. Zieh dir auch noch diese Handschuhe an.“
Tal zog die langen, beinahe transparenten Handschuhe an. Sie reichten bis zu den Ellbogen und waren wohl aus den Innereien eines Tieres gemacht. Er bog seine Finger und war dankbar, dass sie so leicht waren, als Crow ihm noch ein Paar große, schwere Überhandschuhe aus dem gleichen Material wie der äußeren Robe
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