Der Sieg nach dem Krieg
einige berühmte Schauspieler dazu. Dann haben sie immer Theaterkarten...«
Kein Mensch wohnte sicher und am unsichersten wohnten alleinstehende Untermieter. Sie hielten sich strikt an die Hausordnung, jedenfalls dem Anschein nach, gaben sich Mühe nicht aufzufallen, nicht im Bad, nicht in der Küche, nicht mit lauter Musik, Bratenduft oder Elektroofen. Junggesellen vermieden jeden Verdacht auf unsittlichen Lebenswandel. Sein Zimmer auf Dauer mit einer nicht gemeldeten Person zu teilen, als Untermieter einen Privatuntermieter zu beherbergen, konnte unangenehme Folgen haben.
Eine Zeitlang bewohnte Freund Peter mitten in den erotischen Jagdgründen Schwabings bei einem Professorenehepaar ein geräumiges Parterrezimmer. Seine damalige Favoritin lebte nicht in München, sondern bei ihren Eltern am Tegernsee. Doch der Drang, mit ihm zusammen zu sein, führte sie häufig in die Stadt, genauer in sein geräumiges Parterrezimmer. Um Gesicht und Bewegungsfreiheit zu wahren, stellte er sie der Frau Professor vor. Den Text hatten beide wohl überlegt und dem moralischen Weltbild der älteren Generation angepaßt. Er mußte flüssig aufgesagt werden. Stottern hätte nach schlechtem Gewissen geklungen.
In der Küche fing er die alte Dame ab, stellte ihr die junge vor und holte weit aus: »Frau Professor, die Baronesse hat öfter in der Stadt zu tun. Sie sucht eine Arbeit, weil sie sonst keine Zuzugsgenehmigung bekommt. Da ihre Eltern und meine Eltern befreundet sind, möchte ich Sie um die Erlaubnis bitten, ihr gelegentlich mein Zimmer zur Verfügung stellen zu dürfen, damit sie nicht immer hin und herfahren muß. Ich selbst schlafe dann bei meinen Eltern .« Die wohnten, wie die Frau Professor wußte, nur ein paar Häuser weiter und sehr beengt. Angesichts so vieler Eltern konnte die alte Dame nicht nein sagen. Das wohlerzogene Auftreten des Mädchens, ihr klarer, dabei scheuer Blick halfen mit, mögliche unsolide Gedanken zu zerstreuen. Untermieter und Favoritin konnten sich fortan bei Tage in der Wohnung frei bewegen. Er kochte Tee oder eine Suppe, spülte zwei Tassen, zwei Teller, während sich die Frau Professor in der Küche befand; die Baronesse brachte ihr Blumen, mit Gruß und Dank ihrer Eltern; aufregende Hintergedanken versüßten die Freude an der Form.
Da Herrenbesuche, zumal im eigenen Zimmer, bis zehn Uhr abends gestattet waren, und sich das Professorenehepaar meist früh schlafen legte, wurde der Zeitpunkt, wann der junge Mann das Haus verließ, überspielt. Oft gingen beide aus, besuchten ein Fest und kehrten erst spät zurück. Dann trug er sie ins Zimmer, damit das Parkett nur unter zwei Füßen knarzte, nicht unter vier. Das Bad lag für nächtliche Bedürfnisse günstig, Probleme bereitete lediglich der Morgen.
Freund Peter löste sie nach Kavaliersart. Umschlungen lauschten beide im Bett, bis Geräusche und Stimmen aus der Küche das Frühstück des Professorenehepaars ankündigten. Darauf begab sich das Mädchen, einen Guten Morgen wünschend, ins Bad. Freund Peter rasierte sich im Zimmer, schlüpfte in seine Kleider, in Erwartung der frisch gewaschenen Gespielin, um sie in die Arme zu schließen, bevor er mit Mantel, Hut und Aktentasche aus dem Fenster stieg.
Geduckt huschte er zur Straßenseite, trat aus dem winzigen Vorgarten hinaus, ging ein paar Schritte vom Haus weg, bei Regen immer etwas weiter — manchmal kaufte er Brot — kam geschäftig zurück, trat ein und läutete zweimal an der Wohnungstür.
»Hallo Peter! Da bist du ja«, empfing sie ihn möglichst laut, »hast du schon gefrühstückt ?«
Vergnügt über allerlei redend, gingen sie ins Zimmer. Die gespielte Harmlosigkeit machte Spaß. Sie variierten sie kunstvoll.
Nur einmal muß Leidenschaft ihre Aufmerksamkeit getrübt haben. Als Freund Peter sich am Rande des Vorgärtchens gerade aufrichtete, um auf die Straße hinaus zu treten, sah er unmittelbar vor sich zuerst eine Einkaufstasche, die ihm bekannt vorkam, dann den erstaunten Blick der Frau Professor: »Guten Morgen! Wo kommen Sie denn her ?«
Ihre Stimme traf ihn wie ein Stromschlag. Nach einer Antwort suchend, flüchtete er sich in Geschäftigkeit, öffnete die Haustür und läutete zweimal an der Wohnung.
Sofort wurde geöffnet, das Mädchen strahlte und rief: »Hallo Peter! Da bist du ja schon .«
Hier stockte der Dialog. Die alte Dame lächelte der jungen Dame zu. Ohne ein weiteres Wort begab sie sich in die Küche und spielte das Spiel fortan mit. Alte Menschen leben
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