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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Ilan hatte schweigend zugehört und sagte dann: »Ich war noch sehr jung, als dieser Aufstand begann, aber ich weiß, dass er hier, etwas südlicher am Rhein, niedergeschlagen wurde. Es waren nur sechs Männer aus unserem Dorf daran beteiligt, Annik. Und die sind jetzt alle tot. Aber ihre Familien hassen die römischen Soldaten und versuchen, ihnen Schaden zuzufügen. Trotzdem, du hast Recht, die Römer behandeln uns eigentlich nicht schlecht. Ich werde an solchen Überfällen nicht mehr teilnehmen. Aber ich werde dir dennoch nicht verraten, wer die Anführer sind.«
    »Ich verstehe, Ilan. Ich verstehe euch beide im Grunde sogar sehr gut.«
    »Ja, Annik. Denn du hast uns auch nicht verraten, obwohl der Dominus dein Gel …«
    »Ilan!«

    »Ist er nicht?«, fragte der Junge mit blitzenden Augen. »Aber dieser Martius, Annik. Der hat uns an die Soldaten verraten. Denn er wusste, dass wir etwas vorhatten. Cullen hat es selbst gesagt.«
    Jetzt war es an Annik, betroffen zu sein, denn es war ihr nur zu bewusst, dass sie inzwischen tief in die Sache mit verstrickt war. Sie verließ die beiden, nachdem sie Erwan ein paar Tropfen von Ursas Schlaftinktur verabreicht hatte. Viel hatte sie zwar nicht erreicht, fand sie. Aber das, was die beiden nicht gesagt hatten, machte ebenfalls einen Sinn, und vielleicht war es möglich, mit Falcos Hilfe die Steinchen des Mosaiks zu einem sinnvollen Muster zu ordnen.
     
    Es war in den kalten, frühen Morgenstunden. Annik lag in tiefem Schlaf, Feli war unter ihre Decke gekrochen, um sich an ihr zu wärmen und schnaufte leise im Schlaf. Als die Tür knarrte, maunzte sie unwillig und grub ihrer Bettgefährtin die Krallen in die Schulter. Annik wachte auf und erstarrte.
    »Nicht erschrecken, Annik, ich bin es.«
    »Dominus? Ist etwas passiert?«
    »Nein, aber ich muss mit dir sprechen.«
    »Zündet eine Lampe an, Dominus, neben dem Ofen steht eine, und es ist noch Glut im Herd.«
    Er brachte die Öllampe mit zu ihrem Bett und setzte sich mit einem Seufzer auf die Kante. Feli funkelte ihn unwillig an und rollte sich wieder zusammen, um keine Wärme zu verlieren. Annik streichelte sie und sah in Valerius Corvus’ Gesicht. Er sah müde aus.
    »Anstrengender Besuch?«
    »Überaus anstrengend. Dieser Senator ist ein hohlköpfiger Esel. Er will, dass wir das Dorf niederbrennen, um den Unruheherd endlich auszulöschen, wie er sich
ausdrückt. Er schert alle Einheimischen über einen Kamm, und am liebsten würde er wahrscheinlich sogar das Gut hier dem Erdboden gleichmachen.«
    Das entsetzliche Bild eines verwüsteten Dorfes tauchte in Anniks Erinnerung auf. Sturm und Wasser hatten es vernichtet. Diesem hier drohte nun das Feuer. Sie schauderte.
    Valerius Corvus seufzte: »Er hat zwar persönlich Schaden genommen …«
    »Ja, ich weiß, Dominus. Aber es sind schon schlimmere Dinge passiert als die Vergewaltigung einer bleichnasigen Senatorsgattin und ihrer Begleiterin.«
    »Wenn sie überhaupt vergewaltigt wurden. Auf keinen Fall rechtfertigt es diese drastischen Schritte. Den Gesandten konnte ich einigermaßen überzeugen, aber den Senator nicht. Also muss ich morgen - oder besser heute - mit ihm zusammen in die Colonia reiten. Er will sich nur Traians Meinung beugen.«
    »Und wie wird der Statthalter entscheiden?«
    »Er will den Frieden wahren, solange es geht. Aber das glaubt mir dieser senatorische Trottel ja nicht.«
    Annik war inzwischen vollkommen wach geworden und hatte sich aufgesetzt.
    »Dominus, sagt, warum seid Ihr hergekommen? Ich kann Euch doch dabei gar nicht helfen.«
    »Ich habe dich schon wieder um deinen Schlaf gebracht, nicht wahr?«
    »Das ist mir egal. Nur - was kann ich tun?«
    Er stützte die Ellenbogen auf die Oberschenkel und drückte die Stirn in die Hände.
    »Ich wollte wahrscheinlich nur mit einem vernünftigen Menschen sprechen.«
    »Dann will ich Euch zuhören, Dominus.«
    »Du hast es schon getan. Und vielleicht kannst du sogar
etwas tun, Töpferin. Es scheint, dass manche Leute auf dich hören. Das Wichtigste ist jetzt, dass es nicht zu irgendwelchen Vorfällen kommt. Der elende Senator wird den Winter über hier bleiben und erst im März nach Rom zurückkehren. Gibt es in der Zeit nur den kleinsten Zwischenfall, kann niemand ihn mehr bremsen. Zumal der Legationslegat der Minerva einer seiner Speichellecker ist.«
    »Ihr lastet mir eine ganz schöne Bürde auf, Dominus!«
    »Ich weiß - Töpferin. Ich weiß auch, wie wenig du tun kannst, falls die Dinge außer

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