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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sterben, zurück in diese Welt kommen.«
    »Und darum seid ihr auch so todesmutig im Kampf. Weil ihr erwartet, in jener anderen Welt als Helden wiedergeboren zu werden. Wir hingegen sehnen den Tod nicht herbei.«
    »Weil Ihr nicht an ein Weiterleben glaubt?«
    »Unsere Priester sagen, dass die Seelen der Verstorbenen in den Hades eingehen, wo sie für alle Ewigkeit ihr Schattendasein führen. Nicht sehr erquicklich, diese Vorstellung. Mir gefällt die gallische Anderwelt besser.
Dennoch bin ich weit davon entfernt, sterben zu wollen.«
    »Vor dem Tod keine Angst zu haben, Dominus, ist die eine Seite. Vor dem Sterben allerdings haben auch wir, wie alle lebenden Wesen, Angst. Krankheit, Schmerz und Hilflosigkeit säumen den Weg in die Anderwelt.«
    »Viatronix sagte, dass es Menschen gibt, die sogar zu ihren Lebzeiten in dieser Welt die Fähigkeit haben, Einblick in die andere Welt zu nehmen.«
    »Ja, es gibt solche, die das können. Und es ist - in gewissem Maße - sogar jedem von uns möglich, zu bestimmten Zeiten einen Blick hinter die Schleier zu werfen. An Samain, dem Tag vor den Kalenden des Novembers, treffen wir uns traditionsgemäß mit unseren Ahnen, die in jener Welt leben. Doch Wanderungen in jener Welt, das ist eine ganz andere Sache. Aber es gibt für gewöhnliche Sterbliche diese Möglichkeit, und ich glaube, Ihr selbst habt sie schon kennen gelernt.«
    »Ja, so erklärte mir Viatronix meine Erlebnisse, die ich in jener Zeit, vor achtundzwanzig Jahren hatte, als ich zwischen Leben und Tod schwebte. Ich wanderte in der Tat in einer anderen Welt. Und ich habe mich oft gefragt, wer das war, dem ich dort begegnet bin.«
    »Wem seid Ihr begegnet?«
    »Königen und Bettlern, Kriegern und Sängern.«
    »Den Dieben und den Richtern, den Törichten und den Weisen.«
    »Den keuschen Jungfrauen und der Verführerin, der liebenden Mutter und der Verräterin. Ja, Annik all diesen bin ich begegnet. Und es hat sich so tief eingeprägt, dass ich ihnen alle nun in dieser Welt wieder zu begegnen scheine.«
    »So habt Ihr denn einen kleinen Einblick in das Wissen der Druiden erhalten, die dort aus freiem Willen
wandern und ihr unergründliches Wissen herbeziehen.«
    »Und woher, keltische Töpferin, weißt du das alles?«
    »Von Jord, einem Druiden.«
    »Deinem Vater?«
    »Nein.«
    »Sondern?«
    »Meinem Gatten.«
    »Du bist verheiratet?«
    »Er starb.«
    »Verzeih, Annik.«
    »Es gibt nichts, weshalb Ihr um Verzeihung bitten müsst. Aber fragt nicht zu viel nach meiner Vergangenheit. Es gibt manches, an das ich nicht mehr rühren möchte.«
    »Ja, ich verstehe. Doch es gibt dennoch etwas, wofür ich um Verzeihung bitten sollte. Denn ich nenne dich oft eine Barbarin, und das bist du nicht.«
    »Seid da nicht so sicher, Dominus. Der Hauch der Zivilisation, der mich umgibt, ist so dünn wie das seidene Hemd, das Ihr mir geschickt habt, und meine wahre Natur kann ich nur mühsam bändigen.«
    Annik lächelte ihm mit einem Zwinkern zu. Er aber nahm einen weiteren Schluck seines Weines und sah sich im Zimmer um. So entdeckte er die drei Köpfe aus gebranntem Ton. Er stand auf und nahm sie nacheinander in die Hand. Als er sein Abbild betrachtete, wurde sein Gesicht hart.
    »Falco hat mir schon gesagt, dass ein wahrer Künstler Euch nicht so dargestellt hätte, Dominus. Aber es ist nur Ton. Lasst ihn fallen, dann sind es lediglich Scherben.«
    Sehr vorsichtig stellte Valerius Corvus die Plastik wieder auf die Truhe.
    »Barbarin!«, sagte er leise und ging auf sie zu. Sie stand
auf und sah ihm in die Augen. Er griff in ihren Nacken und zog die Haarnadeln heraus. Als der Zopf sich löste, entflocht sie ihn mit flinken Fingern. Er sah ihr wortlos zu, und als die blonden Haare in weichen Wellen über ihre Schultern flossen, berührte er sie sanft. Dann packte er sie mit festem Griff und zog Annik nahe zu sich heran. Ihre Körper berührten sich. Sie ahnte, wie seine nächste Bitte lauten würde, und sagte leise, bevor er sie aussprechen konnte: »Gerne, Dominus.«
    »Gerne, Barbarin?«
    »Ja, gerne, Dominus.«
    Sie hob die Arme, um sie ihm auf die Schultern zu legen, da flog die Tür zu ihrem Häuschen auf. Charal stand in der Öffnung, ein wenig atemlos.
    »Dominus, der Senator Publius Fabius Pontanus ist an der Pforte und will Euch dringend sprechen!«
    Valerius Corvus ließ Annik los und gab einen zornigen Laut von sich.
    »Der alte Simpel will sich wieder als Held beweisen. Zum Hades mit ihm!«
    »Der kaiserliche Gesandte ist bei

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