Der Siegelring - Roman
von meinen Leuten war an dem Überfall beteiligt?«
Annik war einen Moment aus dem Konzept gebracht, und er bemerkte ihr Zögern.
»Na los, Barbarin. Sag es mir!«
Sie schüttelte unwillig den Kopf, aber er stellte mit einer heftigen Bewegung den Becher auf den Tisch.
»Sei nicht störrisch. Es hat keinen Sinn zu schweigen, ich bekomme es sowieso heraus.«
»Dominus - es wäre besser, Ihr wüsstet es nicht.«
»Für wen? Für die Leute? Du fühlst dich mal wieder verantwortlich, was? Der alte Idiot von Erwan war dabei, nicht wahr?«
Sie seufzte. Irgendwie war es ihr immer weniger möglich, Valerius Corvus etwas zu verschweigen.
»Ja, er und Ilan. Beide sind verletzt. Dominus, ich habe Gründe, warum ich sie nicht Eurer Strafe aussetzen möchte.«
»So, möchtest du nicht. Es gefällt meiner Töpferin in ihrer Gnade, meine Autorität zu opfern für ein paar gallische Halunken, die das Brot nicht wert sind, das ich ihnen zu essen gebe!«
»Ja, Dominus, wie Ihr sagt!«
»Hör auf, mich mit deiner sanften Stimme herauszufordern.«
»Gerne, Dominus!«, sagte Annik und schlug demütig die Augen nieder.
Valerius Corvus gab einen grollenden Laut von sich, der zwar drohend klingen sollte, jedoch auch ein unterdrücktes Lachen sein konnte. Dann sagte er mit Fassung: »Und jetzt sag mir, was du dir dabei gedacht hast!«
Annik tat es, und er hörte schweigend zu. Dann nickte er.
»Wahrscheinlich hast du Recht. Es würde mehr schaden als nutzen, würde ich sie bestrafen und des Hofes verweisen. Ich werde sie übersehen, wenn sie mir über den Weg humpeln. Sind sie schwer verletzt?«
»Ilan hat nicht mehr als die ihm zustehende Prügel bezogen, aber Erwan hat eine Speerwunde in der Schulter, die nur langsam heilt. Außerdem leidet er an einem starken
Husten. Ich fürchte, der Winter wird ihm nicht gut tun.«
»Ja, er ist alt, beinahe siebzig oder sogar schon darüber. Seine Zeit ist wohl bald abgelaufen. Soll er seine letzte Dummheit ungestraft vollbracht haben. Ich nehme an, du hast die Wunden der beiden in bewährter Form behandelt?«
»Ursa und ich haben es getan.«
»So weiß Ursa ebenfalls davon?«
»Es ließ sich nicht vermeiden.«
»Das ist jetzt wohl auch egal. Zumindest gibt es dir eine eigenartige Stellung in meinem Haus. Nun ja, auf jeden Fall sind deine ärztlichen Kenntnisse von einem Fachmann gutgeheißen worden, soweit sie mich betrafen!«
»Ihr habt einen Arzt aufgesucht?«
»Wie du mir geraten hast, einen gallischen Heiler. Ein schroffer Geselle mit eigensinnigen Vorstellungen.«
»Kurzum, Ihr habt Euch gut verstanden.«
Er schmunzelte anerkennend.
»So gut, dass ich jetzt sogar einige Schritte ohne den Stock gehen kann. Er bestand darauf, dass ich das Bein nicht schone, sondern belaste, und sparte nicht mit herben Bemerkungen über verweichlichte Römer. Aber Viatronix ist ein gebildeter Mann, und wir haben uns lange miteinander unterhalten. Von ihm habe ich vieles über die gallischen Barbaren erfahren.«
»So, habt Ihr das? Und sind wir dadurch in Eurer Achtung gesunken oder gestiegen?«
»Es mag seltsam für dich klingen, aber ich bin durchaus in der Lage anzuerkennen, dass es neben der römischen Lebensart auch andere Formen der Zivilisation gibt. Wir unterhielten uns ein bisschen über die ärztliche Kunst, wesentlich mehr aber über das Rechtswesen und die Philosophie.«
»Er muss seine Ausbildung bei den Druiden erhalten haben.«
Valerius Corvus lehnte sich bequem auf der Bank zurück und setzte seinen Fuß auf die Sitzfläche. An seinem Stiefel klebte Lehm und etwas Stroh. Er griff nach dem Krug und schenkte sich den Becher erneut voll.
»Trink noch etwas, Annik!«
Sie füllte ihren Becher auf und musterte seinen schmutzigen Stiefel.
»Ich benehme mich mal wieder völlig daneben, wenn ich deinen Blick richtig deute!«
»Ach, es macht nichts, wenn Ihr meine Möbel beschmutzt. So benehmen sich die Herren eben auf dem Land. Die Mägde werden den Saal nachher putzen.«
»Nur dass es weder ein Saal ist noch du über eine Schar Mägde gebietest. Entschuldige. Aber um deine Frage zu beantworten, ja, der Mann hat bei den Weisen seines Volkes gelernt, und nicht nur die Heilkunde. Er hat mir ein paar bemerkenswerte Dinge geschildert, über die ich lange nachgedacht habe. Annik, hast du Angst vor dem Tod?«
»Nein, Dominus. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Wir glauben, dass es in der anderen Welt ein weiteres Leben in einem anderen Körper gibt und dass wir, wenn wir dort
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