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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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offensichtlich nicht über das Eindringen einer unbekannten Dame. Gerardus öffnete die Tür, Annik richtete sich auf und legte den Codex zur Seite. Valerius Corvus trug seine weiße Toga und stützte sich auf einen polierten Stock. Er sah imposant aus und füllte mit seiner Größe die Türöffnung.
    »Dame Anna Denezia?«
    »Dominus Valerius Corvus!«
    Es war nur ein winziger Moment, den Valerius Corvus brauchte, um seine Überraschung zu verbergen, er hatte seine Miene umgehend wieder unter Kontrolle. Nüchtern und höflich fiel seine Begrüßung aus.
    »Willkommen in meinem Heim. Ich habe dem Praefecten Falco für die große Ehre zu danken, dass er Euch zu mir gebracht hat.«

    »Ich hoffe, es ist Euch nicht unangenehm, dass ich so ohne Ankündigung bei Euch eingedrungen bin. Ich bleibe nur bis morgen und werde Euch nicht stören.«
    »Gerardus, richte mein Bad.«
    Mit einer Handbewegung scheuchte er seinen Verwalter aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich.
    »Eine ganz hübsche Verwandlung von einer schmuddeligen Töpferin in eine vornehme Dame. Du birgst erstaunliche Überraschungen, Annik.«
    »Seid Ihr ungehalten, dass ich hergekommen bin, Dominus? Ulpia Rosina schlug vor, hier zu wohnen, als ich einmal den Wunsch geäußert habe, mir die Stadt ansehen zu wollen.«
    »Ich bin nicht ungehalten. Schließlich bin ich in dein Heim auch schon einige Male unangekündigt eingebrochen und habe immer warme Gastfreundschaft gefunden. Die soll dir ebenfalls hier gewährt werden.«
    »Danke, Dominus!«
    Er setzte sich in einen Sessel und betrachtete sie mit einem nachdenklichen Blick.
    »Anna Denezia, dir fehlt ein gewisser gesellschaftlicher Schliff. Eine Dame wie du sollte mich nicht Dominus nennen. Das könnte zu falschen Schlüssen führen.«
    Die Dame Anna konnte ein kleines Kichern nicht unterdrücken. Sie wusste sehr wohl, was er meinte. Frauen ihres Ranges würden die Anrede Dominus nur verwenden, wenn sie damit ihren Geliebten meinten.
    »Ah, ich sehe, du verstehst doch.«
    »Die Barbarin hat ein wenig Erziehung erhalten. Wie wünscht Ihr denn, dass ich Euch anrede, Titus Valerius Corvus?«
    »Nun, das hängt von der Rolle ab, die du hier zu spielen gedenkst. Verwandte und mütterliche Freundinnen würden mich Titus nennen.«

    »Ihr habt mir zwar in einer gewissen Situation einmal einen mütterlichen Zug unterstellt, aber dergestalt sind meine Gefühle für Euch nun wirklich nicht.«
    »Ich muss geistig verwirrt gewesen sein, als ich der herrschsüchtigen Töpferin einen derartigen Charakter unterstellte. Nun, gute Freunde, Kameraden und - mmh - gewisse andere Freundinnen reden mich mit Corvus an.«
    »Gerlind, vermute ich, genießt dieses Vorrecht.«
    »Gerlind? Oh - sie genießt überhaupt kein Vorrecht mehr. Sie übertrieb ein wenig ihre Forderungen an den Krüppel, dem sie die Freuden ihres weichen Körpers anbot.«
    »Dann möchte ich mich mit ihr nicht gemein machen.«
    »Also, Barbarin, bleiben nur jene, die noch einen Hauch von Respekt vor mir haben. Sie verwenden den nom gentile.«
    »Nun, Valerius, dann werde ich Euch meinen Respekt erweisen.«
    »Ein unerwartetes Zugeständnis, Dame Anna. Erlaubt Ihr, dass ich mein Bad nehme und gebt Ihr mir die Ehre, anschließend mit mir zu speisen?«
    »Gerne, Valerius. Solange Euer Koch sich mit dem Liquamen zurückhält.«
    »Ich bewirte zwar äußerst selten derart anspruchsvolle Gäste, aber eventuell wird es sich machen lassen, ohne dass er anschließend den Freitod wählt.«
    Valerius Corvus verbeugte sich mit einer knappen spöttischen Geste und verließ den Raum.
     
    Der Hausherr hatte sein Bad offensichtlich stark verkürzt, er kam bald zurück, nun aber ohne die wallende Toga, sondern in der üblichen Kleidung, die er auf dem Land trug, wenn auch in erheblich feinerer Qualität -
eine gegürtete Wolltunika über einer dünneren aus Leinen und Bracae, die barbarischen Hosen. Seine Haare waren noch feucht und ringelten sich, genauso wie sein gekräuselter Bart, in kurzen Locken. Auf seinen Stock hatte er verzichtet.
    »Hat der Koch es überlebt?«
    »Er drohte, mich zu verlassen und aus der Küche ein Trümmerfeld zu machen. Aber nein, Dame Anna, er ist halbbarbarischer Herkunft und versteht solch ausgefallene Wünsche. Womit habt Ihr Euch die Zeit vertrieben?«
    Er wies auf den Codex, den sie nun auf den Tisch gelegt hat.
    »Mit der Kunst des Liebens, Dom … Valerius!«
    »Ein angemessener Zeitvertreib für eine schöne Frau.«
    Gerardus bat sie

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