Der Siegelring - Roman
auf das pelzbedeckte Lager. Im Halbdunkel erforschten seine Hände ihren Körper, strichen über ihre Arme, erfühlten die Rundung ihrer Brüste, ihren flachen, straffen Bauch. Sein Mund folgte seinen Händen, und ungeduldig schob er das Brustband zur Seite. Als er ihren Busen streichelte, stöhnte sie und bog ihm ihren Leib entgegen.
»Valerius, legt das Hemd ab. Ich will Eure Haut auf der meinen fühlen.«
»Annik, nein.«
»Doch. Tut es, ich weiß, was mich erwartet.«
Er zögerte, zog aber letztlich die dünne Tunika mit einem Ruck über den Kopf. Die lange, wulstige Narbe erstreckte
sich von der Schulter bis zur Hüfte. Zum Teil verschwand sie unter den dunklen Locken auf seiner Brust, aber sie war ein beredtes Zeugnis für eine entsetzliche Wunde. Annik strich fest mit ihrer Hand darüber und zog ihn an sich.
»Eure Haut, Dominus, will ich spüren.«
Er strich ihr sacht mit dem Finger über die Unterlippe, und sie schloss die Augen. Sein Atem ging schneller, und sie fühlte seinen Herzschlag unter ihren Händen. Dann küsste er sie, lange, erst sanft, dann härter. Er verließ ihre Lippen, liebkoste ihre Halsgrube. Sie fühlte seine Hände über ihren Köper streichen, fest und begierig. Er presste ihre Brüste hoch, und als sein Mund ihre Brustwarzen umfasste, schrie sie leise auf.
»Etwas sanfter, Dominus.«
»Ja, etwas sanfter, Dame Anna.«
Und so war es dann auch, sanfter, aber nicht sanft. Sie begehrten einander zu heftig, und Valerius Corvus war ein kraftvoller Mann. Er war beherrscht, aber fordernd, und sie erwartete ihn mit der Leidenschaft, geboren aus langem Verzicht und starkem Verlangen.
Als die Wogen der Lust verebbt waren, lag sie zitternd in seinen Armen, und er hielt sie fest, eng an sich gepresst und schwer atmend. Als sie ruhiger wurde, strich er über ihre Haare, und jetzt waren seine Hände zärtlich. Die Fingerspitze, die ihren Mund nachzeichnete, fühlte sich an wie ein Hauch. Sie zog sie mit ihren Lippen sacht zu sich.
»Annik«, murmelte er, und sie antwortete ihm, wie er es sich wünschte.
»Dominus - Geliebter.«
»Bin ich das?«
»Ich fühle so, Valerius.«
»Ich will dich in meinen Armen halten, mein Herz. Es ist schöner, als ich es mir je erträumt habe.«
»Habt Ihr geträumt?«
»Manchmal. Ja, Annik, ich habe schon lange davon geträumt.«
Sie strich noch einmal über seine Brust und legte danach ihren Kopf wieder an seine Schulter. So schliefen sie ein.
Es war ein kurzer Schlaf, zu wenig waren sie es beide gewöhnt, mit einem anderen Menschen eng zusammenzuliegen. Die Nacht war still in der Stadt, als Annik in der Dunkelheit erwachte. Die Lampen waren ausgebrannt, und nur die Kerzenflamme auf dem Tisch schimmerte noch golden im Raum. Valerius Corvus bewegte sich, als sie ihren Arm in eine bequemere Position zu ziehen versuchte.
»Habe ich dich geweckt, Annik?«
»Nein, Dominus. Aber ich brauche etwas Bewegungsfreiheit.«
Er lachte leise auf.
»Ja, die brauchen wir beide, nicht wahr?«
Er stand auf und ging zum Tisch, um ihnen zwei Pokale Wein einzuschenken.
»Mit Wasser vermischt, wie du ihn magst.«
»Danke!«
Annik hatte sich aufgesetzt und die Pelzdecke um sich gezogen. Die langen Strähnen ihrer Haare lagen ein wenig wirr auf dem Fell, und er glättete sie mit seinen Fingern.
»Meine schöne Barbarin! Erlaubst du mir eine Frage?«
»Aber natürlich.«
»Aus welcher Gegend von Nordgallien stammst du?«
»Aus der nördlichsten, Valerius. Dem Land am Meer. Wir nennen es Armorica, die Römer haben einen weniger schmeichelhaften Namen dafür gefunden. Sie nennen es Finis Terra, das Ende der Welt.«
»Ja, von diesem Land habe ich gehört. Rau und wild
soll es sein, aber den Gerüchten darf man wohl nicht immer glauben, nicht wahr?«
»Nein, nicht immer. Es gibt Gegenden, die rau und wild sind, doch das Meer und das Land haben ebenfalls ihre lieblichen, manchmal Ehrfurcht gebietenden Seiten. Es gibt lang gestreckte Strände, grüne Inseln liegen davor, Dünen aus weißem Sand begrenzen sie, und der Blick zum Horizont scheint in die Unendlichkeit zu reichen. Dort, wo die Gezeiten auf das Ufer treffen, sind die Felsen rund geschliffen, an anderen Stellen jedoch sind sie schroff und fallen jäh in die Tiefe ab. Aber gerade dort trifft man verborgene Buchten, die den Fischern häufig Schutz bieten, wenn die Stürme über das Meer fegen. An anderen Stellen sind es Wälder, nicht so üppig und dicht wie hier, doch sie ziehen sich an den Mündungen der
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