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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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darum keine Gedanken machen.«
    »Es macht dir nichts aus? Bei Ulpia Rosina ist es Euer Scheidungsgrund!«
    »Ich habe Gratia. Wenn ich einen männlichen Erben haben möchte, dann werde ich einen adoptieren.«
    »Was dem Caesar recht ist …«
    »Du sagst es!«
    Annik stand auf und setzte sich auf die Liege, auf der er Platz genommen hatte.
    »Ihr seid sehr großzügig zu mir, Valerius. Und Euer Antrag schmeichelt mir.«
    »Wirst du ihn annehmen?«
    Sie legte den Kopf an seine Brust.
    »Ich weiß es noch nicht. Darf ich ein paar Tage darüber nachdenken? Ich habe hier wie in einem Rausch gelebt, und das verschleiert manchmal etwas die Sicht auf die Wirklichkeit.«
    »Dann denk darüber nach, Kind.«
    »Warum, Valerius, nennt Ihr mich nur immerzu Kind?«
    »Weil du, schöne Barbarin, so jung bist. Ich bin siebzehn Jahre älter als du, und womöglich wird das ein Grund sein, warum du nicht mit mir gehen willst. Aber ich hoffe nicht.«

    »Nein, Valerius, das spielt für mich keine Rolle.« Sie dachte nach und rechnete. »Mit siebzehn erhieltet Ihr Eure Wunden, vor achtundzwanzig Jahren. In dem Jahr also, in dem ich geboren wurde.«
    »Ja, in jener Zeit. Und, mein Herz, ich bin inzwischen alt genug und habe so viel über die Wanderung in der Anderwelt gelernt, dass ich mir sicher bin, dir damals schon begegnet zu sein. Als die Seele, die mich dazu brachte, wieder in die Welt der Lebenden zurückzukehren.«
    »Ja. Vielleicht hat mich das Schicksal deshalb hier an den Rhein geführt.«
    Ihre letzte Nacht verbrachten sie in großer Innigkeit, und am nächsten Mittag kam Falco, um Annik zurück zum Gut zu begleiten.
     
    Der Ritt verlief problemlos, Falco hatte seine Missbilligung weitgehend überwunden. Offensichtlich hatte Ulpia Rosina ihn etwas beschwichtigt. »Besser Annik als eine geschminkte Kurtisane«, hatte sie ihm ungerührt geantwortet. Aber das erzählte er Annik nicht.
    »Gibt es Neuigkeiten vom Gut, die ich wissen müsste, bevor ich dort eintreffe?«
    »Offensichtlich keine gewichtigen. Die Einheimischen haben sich dieser Tage erstaunlich ruhig verhalten. Es hat keine Übergriffe gegeben, noch nicht einmal den üblichen groben Unfug.«
    »Ich habe dem Barden sehr deutlich klar gemacht, welches Risiko sie mit solchen Aktionen eingehen. Möglicherweise hat es geholfen.«
    »Möglicherweise ist auch eine Informationsquelle versiegt.«
    »Du meinst, seit Martius in Novaesium ist?«
    Falco zuckte mit den Schultern. »Kann man jetzt natürlich nicht sagen. Wir werden es
sehen, wenn er zum Beginn des neuen Jahres zurückkehrt. Ich hoffe, er war es nicht.«
    »Ich auch.«
    Sie schwiegen gedankenverloren, und plötzlich fiel Annik ein, dass sie etwas Wichtiges vergessen hatte.
    »Verdammt, Falco, die Liste! Ich habe ganz vergessen, mir die Liste mit den Namen anzusehen. Sie liegt bei Valerius im Haus. Er hat sie durchgeschaut, aber nichts Auffälliges gefunden.«
    »Bedauerlich, dass du so unzuverlässig warst. Ich habe nur eine einzige Abschrift anfertigen lassen. Also müssen wir abwarten, ob Corvus sie mitbringt.«
    Sie erreichten das Gut in der Dämmerung, und Annik fand ihr Häuschen kalt und staubig vor. Und als sie Ursa um Lebensmittelvorräte und Lampenöl bat, wurde sie mürrisch, ja geradezu bärbeißig abgefertigt.
     
    Es fiel Annik nicht leicht, wieder in den Alltagstrott zurückzufinden. Aber das hatte sie auch nicht erwartet. Erwan war nach wie vor nicht arbeitsfähig. Die Wunde in seiner Schulter verheilte nur langsam, sein Husten wollte sich nicht bessern. Ilan hatte ohne ihre ständige Aufsicht natürlich keinen Handschlag getan, und im Lagerraum war der feuchte Ton angetrocknet. Gratia war der einzige Lichtblick in jenen Tagen, sie kam immer mal wieder kurz vorbei. Aber Ulpia Rosina hatte ihre Erziehung zur vornehmen jungen Dame jetzt energischer in die Hand genommen, und sie musste sich um ihre gesellschaftlichen Pflichten kümmern. Es tauchten in der Tat viele Besucher auf, und Annik betrat die Villa nur ein einziges Mal, als der gesamte Hausstand sich zu den Riten zum Jahresbeginn versammelte. Doch sogar da hielt sie sich, so weit es ging, im Hintergrund. Dennoch wurde ihr das Herz weit, als sie Valerius Corvus beobachtete,
der als Pater familias mit ehrerbietig verhülltem Haupt die Zeremonie durchführte.
    Ulpia Rosina hatte sie einmal in ihrer Werkstatt aufgesucht, aber ihr Gespräch verlief in seltsamer Verlegenheit. Zumindest beobachtete Annik, dass sie Valerius Corvus gegenüber ein wenig

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