Der Siegelring - Roman
ernst.
»Annik, es wäre sinnvoll, wenn du nicht mehr auf das Gut zurückkehren würdest. Du kannst hier bleiben, bis ich wiederkomme.«
»Das könnte ich, aber es ist eine Art von Flucht, nicht wahr? Ich verschwinde klammheimlich aus dem Leben derer, die mir inzwischen etwas bedeuten.«
»Wer bedeutet dir etwas? Dein Ofensetzer, der Stalljunge, Charal?«
»Gratia und Ulpia Rosina.«
»Ich verstehe, aber, mein Herz, trotzdem. Du kannst nicht wieder in die kleine, ungemütliche Hütte ziehen und tagsüber mit den Füßen den Lehm stampfen!«
»Warum nicht? So ungemütlich ist das Häuschen nicht, und bislang hat es Euch auch nichts ausgemacht, dass ich arbeite. Valerius, ich bin nicht zum Müßiggang geboren, ich brauche die Beschäftigung mit dem Ton.
Vielleicht jetzt sogar noch mehr als zuvor. Außerdem - ich bin Euch dort näher.«
»Wir werden dort einander nicht nahe sein. Es ist eine Zeit, in der viele Besucher kommen, und es gibt - ja, Annik, es gibt Planungen, Entwicklungen, die ich nicht absehen kann. Caesar Nervas ist schwer erkrankt, und es wird nicht mehr lange dauern, bis Traian seine volle Macht gewinnt. Dann werden Entscheidungen fallen, die mich - und auch dich - betreffen werden. Es wäre sehr misslich und unpassend, wenn irgendjemand dich dort als tonverschmierte Töpferin träfe. Und es geht auch nicht an, dass du in der Villa ein und aus gehst, denn das würde Ulpia Rosinas Ansehen schaden.«
»Ich werde nicht in die Villa kommen, und ich glaube kaum, dass einer Eurer Besucher sich jemals in meine Werkstatt verirren wird.«
»Du bist hartnäckig.«
»Ja, Valerius.«
Er seufzte.
»Also meinethalben, zieh wieder in deine Hütte. Aber wenn ich das Gut verlasse, begleitest du mich.«
»Wenn es nicht schadet, gerne. Aber auf die Dauer kann das nicht die Lösung sein.«
»Das wird es auch nicht. Ich werde mich von Ulpia Rosina scheiden lassen. Es ist nur mehr eine Formalität, und ich habe jeden Grund dazu, da diese Ehe nie vollzogen wurde.«
»Aber - Valerius! Sie ist Traians Nichte.«
»Das spielt keine Rolle. Es ist ihr Verschulden, dass sie mir keine Erben schenkt, und das wird er verstehen.«
»Verzeiht, Valerius, mir tut Ulpia Rosina Leid.«
»Ich werde sie nicht auf die Straße setzen, Annik. Sie wird das Gut behalten, und wenn ihr Liebhaber auch nur
einigermaßen standesgemäß ist, dann wird er das als Mitgift nicht ausschlagen.«
Annik sah zu Boden und atmete tief durch.
»Er ist weit davon entfernt, standesgemäß zu sein.«
»Das habe ich fast befürchtet. Wer, Annik?«
»Martius!«
»Verdammt!« Er schüttelte den Kopf. »Dann wird sie Falco heiraten müssen. Er verehrt sie, und ich habe den Eindruck, dass sie von ihm zumindest nicht so abgesto ßen ist wie von mir. Für ihn wäre es ein gutes Geschäft. Er wird in der Legio Minerva seinen Weg machen und schon zu Dienstzeiten ein Landgut in der Nähe haben, auf das er sich zurückziehen kann.«
Annik dachte eine Weile darüber nach und sah keinen Nachteil in dieser Regelung. Rosina wäre froh, von Valerius befreit zu sein, Falco hätte genug Verständnis und sogar Mitleid mit ihr, sie behielt ihr Heim und ihre Glasschleifer-Werkstatt. Falco kam aus dem Ritterstand, seine Familie war vornehm und hatte Verbindungen zu den höchsten Kreisen. Abgesehen davon war er ein ehrgeiziger Mann, der auch aus eigener Kraft zu Ruhm kam. Nur einen Schatten warf das Arrangement.
»Arme Gratia!«
»Was hat denn meine Tochter damit zu tun?
»Sie möchte Falco heiraten. Sie ist verliebt in ihn.«
»Sie ist noch keine vierzehn. Sie wird es verwinden.«
»Wahrscheinlich. Aber es tut weh.«
»Du hast schlimmere Schmerzen überstanden und lebst dennoch.«
»Nun ja, sie wird so oder so derartige Erfahrungen machen, das ist schon richtig. Aber werdet Ihr Euch dann nur noch in der Stadt aufhalten?«
»O nein, Annik. Das ist ja der Grund, warum ich all das so zu regeln versuche. Ich werde aller Voraussicht
nach einen Statthalter-Posten bekommen. Nur wann und wo, das hängt jetzt davon ab, wie lange es dauert, bis Traian Caesar wird. Aber dann wirst du mit mir kommen können. Ich kann dich zwar nicht nach dem Bürgerrecht heiraten, denn du bist und bleibst eine Barbarin. Aber das ehrbare Konkubinat gilt als gleichwertig. Nur unsere Kinder können nicht meine Erben sein. Doch auch da gibt es Möglichkeiten.«
»Wir werden keine Kinder haben, Valerius. Seit jener Fehlgeburt kann ich nicht mehr empfangen.«
»Nun, dann müssen wir uns
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