Der Siegelring - Roman
aus.
»Was führt dich her? Bist du wieder als Kurier eingesetzt?«
»Nein, nicht mehr. Es … es hat sich etwas ganz anderes ergeben. Das wollte ich mit dir besprechen. Eine ganz große Chance, Annik!«
»Du bist befördert worden?«
»Wie man es sehen will! Der Senator Fabius Pontanus reist nächsten Monat nach Rom zurück und will ein paar ausgesuchte Pferde mitnehmen. Es heißt, er züchtet Kampfrösser. Falco hat vorgeschlagen, dass ich ihn begleite und dort zu einer Reitertruppe versetzt werde. Er kennt den Praefecten dort. Rom, Annik! Stell dir vor - Rom!«
»Ich stelle es mir vor, ja. Das wird dir gefallen.«
»Begleitest du mich? Dir wird es dort auch gefallen. Colonia ist eine hübsche Stadt, aber Rom ist reich. Rom hat Möglichkeiten, Rom - der Nabel der Welt!«
Leise lachend über die Hingerissenheit ihres alten Freundes schüttelte Annik den Kopf.
»Nein, Martius. Ich begleite dich nicht.«
»Nein? Du weißt nicht, was du versäumst. Die Gelegenheit unseres Lebens!«
»Nein, meines nicht.«
Martius wurde etwas ruhiger und sah sie jetzt neugierig an.
»Du hast eine andere Gelegenheit, vermute ich.«
»Ja«, bestätigte sie nur kurz. Das, was sie wirklich tun würde, war noch zu neu, zu frisch, noch viel zu wenig zu glauben, als dass sie mit ihm darüber hätte sprechen wollen.
»Valerius Corvus? Ist er der Grund, warum du hier bleiben willst?«
Es gab keinen Grund, das zu leugnen.
»Ja, er ist der Grund.«
»Na ja, auch das freut mich für dich. Aber er ist verheiratet, und du wirst immer nur die zweite Rolle spielen.«
Sie zuckte mit den Schultern und fragte dann, um ihn von dem Thema abzulenken: »Hast du es Ulpia Rosina schon gesagt, dass du nach Rom gehen wirst?«
Betreten schaute Martius sie an.
»Mach nicht so ein belämmertes Gesicht, Martius. Ich habe Augen und Ohren im Kopf.«
»Und ich dachte, wir seien so vorsichtig gewesen, wie es Menschen nur sein können. Wissen es viele?«
»Ulpia Rosina ist meine Freundin geworden. Ich weiß es. Vermutlich weiß Falco es auch. Weshalb du jetzt nach Rom gehen wirst. Also - hast du es ihr gesagt?«
Bedrückt nickte er: »Ja, vorhin. Es … war nicht leicht.«
»Das glaube ich dir. Es ist für sie schwerer als für dich. Du liebst sie nicht!«
»Wie kannst du das behaupten!«, fuhr er auf.
»Weil ich dich kenne, Martius-Rayan. Auch mir hast du einst Liebe geschworen.«
»Ja, aber …«
»Schon gut, Martius. Wir sind Freunde geblieben, ich trage es dir nicht nach. Wir haben uns in einer schweren Zeit viel geholfen, und wir haben viele schöne Stunden verbracht. Dort, auf meiner Insel.«
»Ja, Annik, das haben wir, nicht wahr?«
Sie streichelte ihm die Wange, und er nahm sie in seine Arme und drückte sie an sich.
»Wollen wir noch eine schöne Stunde miteinander verbringen?«
Sie spürte seinen jungen, starken, unversehrten Körper und war beinahe geneigt, ihm nachzugeben, wenn nicht Ursa plötzlich in der Tür gestanden hätte. Sie löste sich aus seinen Armen.
»Annik, es geht mit Erwan zu Ende. Er verlangt nach dir.«
»Ich komme.«
Der Tod hatte den alten Mann schon gezeichnet. Cullen saß an seiner Seite und spielte sanft auf seiner Harfe. Nur mit einem raschen Blick begrüßte er Martius, der
hinter Annik eintrat. Sie kniete bei Erwan nieder und redete leise auf ihn ein. Noch einmal öffnete er die Augen und flüsterte: »Der Rabe wird Euch beschützen, Herrin.«
»Das wird er, Erwan.«
Sie nahm seine Hand und hielt sie fest. Cullen legte sein Instrument zur Seite und nahm die andere Hand des Sterbenden.
»Cullen, Kados Sohn. Ich werde deinen Vater treffen.«
»Und alle, die vor dir gegangen sind. Möge dein Weg leicht sein, Erwan.«
Es dauerte nicht mehr lange, der letzte schwere Atemzug verklang, und der alte Ofensetzer war in die andere Welt eingegangen.
»Danke, Annik. Du hast ihm viel bedeutet.«
»Er war ein alter Tunichtgut, aber ein netter Mensch. Ich mochte ihn.«
Cullen lächelte sie an und nickte.
»Ich werde noch etwas bei ihm wachen. Später kannst du Ursa holen, sie kümmert sich dann um ihn.«
Die Tür zur Werkstatt war offen, und Annik sah Ursa, die die ungebrannten Schalen und Krüge betrachtete.
»Er wird mir fehlen, der alte Erwan. Er konnte gut mit dem Ofen umgehen.«
»Wirst du überhaupt noch einmal brennen?«
»Aber warum denn nicht?«
Ursa zog einen Mundwinkel hoch und sah Annik wissend an. Annik übersah es geflissentlich und musterte ebenfalls die Borde. Ein Glitzern fiel ihr
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