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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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um.
    »Junge, die Gelegenheit ist mehr als günstig.«
    »Es ist zu gefährlich, solange dieser Senator noch hier ist!«
    »Du bist ein Feigling!«, zischte sie, und er antwortete empört: »Mutter!«
    Martius klopfte vernehmlich an den Türrahmen, und die beiden drehten sich ruckartig zu ihm um. Der Ausdruck blanken Entsetzens in Ursas Gesicht hielt nur einen Wimpernschlag lang an, sofort hatte sie ein freundliches, einladendes Lächeln auf den Lippen.
    »Der Legionär Martius! Komm herein, junger Mann.«
    »Ich wollte nicht stören, aber Annik sagte, du könntest mir noch etwas zu essen geben, bevor ich aufbreche.«
    »Aber natürlich. Komm, setz dich dort auf die Bank am Herd. Da ist es warm. Und ich habe hier noch kaltes Fleisch, ein Brot und ganz frischen Honigkuchen. Möchtest du gewürzten Wein oder lieber Met oder Bier trinken?«
    »Gibt mir, was du hast, ich bin so hungrig, dass ich meine Sandalen aufessen könnte.«
    Sie tischte ihm reichlich auf und stellte ihm einen Becher mit stark gewürztem Wein hinzu. Er aß schnell und
ohne ein weiteres Wort. Cullen hatte sich in eine dunklere Ecke zurückgezogen und bewies einmal mehr seine Fähigkeit, sich weitgehend unsichtbar zu machen. Ursa hingegen verschwand im Vorratsraum und kam erst zurück, als Martius sein Mahl beendet hatte. Sie trug Töpfe und einen Krug bei sich.
    »Danke, Ursa. Es war köstlich. Aber nun muss ich eilen. Ich werde bis Mitternacht in der Stadt erwartet.«
    »Dann mach dich auf den Weg. Aber diesen Becher Wein solltest du noch trinken. Er wird dir den Leib wärmen in der kalten Nacht!«
    Martius lachte und trank den Becher in einem Zug aus.
    »Du mischst einen köstlichen Würzwein, Ursa.«
    Den schweigenden Barden übersah er in seiner Eile aufzubrechen. Er verließ die Küche, und Ursa zog die Tür hinter ihm zu.
    »Schwachkopf!«, sagte sie leise zu Cullen, ihrem Sohn.
    Er nickte betreten.
    »Er ist zwar nicht der Hellste, unser Legionär Martius, aber selbst ihm wird aufgehen, was es bedeutet, dass ich deine Mutter bin. Ich hatte dir verboten, mich hier zu besuchen. Selbst wenn er die volle Wahrheit nicht ahnt, wird er dem Praefecten Falco davon berichten. Der wird auf jeden Fall die richtigen Schlüsse ziehen.«
    »Was sollen wir tun?«
    »Du tust etwas! Meinen Teil habe ich schon erledigt. Der Wein war mit einem starken Schlafmittel versetzt. Geh ihm nach. Er wird bald auf seinem Gaul einschlafen. Sorg dafür, dass er niemandem mehr etwas erzählen kann. Hier ist Rosinas Dolch. Er wird den Verdacht auf sie lenken.«
    »Ich kann ihn doch nicht umbringen!«
    Mit Panik im Blick starrte der Barde seine Mutter an.

    »Du hast uns verraten, also sieh zu, dass du den Fehler wieder gutmachst.«
    »Aber …«
    »Er ist nur ein römischer Legionär. Solche wie er haben deinen Vater getötet. Solche wie er haben vor Jahren meine Angehörigen ermordet. Wenn er sein Wissen weitergibt, werden wir sterben. Und alle, die zu uns gehören, ebenfalls.«
    Wortlos nahm Cullen das Stilett und verschwand lautlos in der Dunkelheit.

31. Kapitel
    Das Opfer
    Als Martius gegangen war, saß Annik eine Weile still auf der Bank und starrte in das Flämmchen der Lampe. So endete ein Teil ihres Lebens, und ein neues Kapitel begann. Sie ließ die Vergangenheit noch einmal aufleben. Ihre Kindheit, in der Martius, damals Rayan, ein Spielgefährte war, der ihr an Ungebärdigkeit gleichkam, mit dem sie Abenteuer suchte und gemeinsame Triumphe und Niederlagen erlebt hatte. Sie hatten zusammen die Strafen auf sich genommen, wenn die Erwachsenen wieder einmal der Meinung waren, ihre allzu derben Späße in Grenzen halten zu müssen. Sie hatten einträchtig Blessuren davongetragen, wenn die Unternehmungen zu rau geworden waren, sie hatten um die Vorherrschaft in den jugendlichen Banden gekämpft, die sich um die Tochter des Stammesfürsten und den Sohn seines ersten Ritters scharten. Sie hatten ihre ersten Verliebtheiten beobachtet und mit Spott übergossen. Doch sie waren älter und ruhiger geworden, Annik hatte Jord geheiratet, Rayan war auf das Gestüt eines anderen Pferdezüchters geschickt worden, um dort seine Kenntnisse zu erweitern.
    Dann war die Flut gekommen, und Annik war trotz ihrer bodenlosen Verzweiflung und Trauer froh gewesen, dass ihr Jugendfreund überlebt hatte. Es war eine tiefe Zärtlichkeit zwischen ihnen gewesen in diesen ersten Jahren der Einsamkeit. Doch als die Wunden bei ihnen beiden langsam heilten, war Annik allmählich bewusst
geworden, dass

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