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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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nicht los, dass er uns auf diese Weise ein klein wenig manipuliert hat«, sagte Rose und stand auf, um eine Wandlampe anzuschalten. Das warme, in der facettierten Schale glitzernde Licht nahm der Atmosphäre das Gespenstische. »Und, Anita, ich habe das Gefühl, wir werden einige lange Gespräche miteinander führen müssen, um dieser verrückten Sache auf den Grund zu gehen.«
    »Ja, Rose, das vermute ich genauso. Ich möchte, ehrlich gesagt, damit nicht allzu lange warten.«
    »Dann werden wir uns den heutigen Nachmittag und Abend dafür Zeit nehmen. Erst werde ich Cilly aber nach Hause fahren, sonst bekommt Mama graue Haare!«
    »Keine Panik. Ich rufe sie an, dass ich hier bleibe, Rose«, meldete Cilly sich zu Wort und zeigte uns dabei einen solch entschlossenen Gesichtsausdruck, der keinen Zweifel daran ließ, dass wir sie nur mit Einsatz körperlicher Gewalt entfernen konnten. Ich verstand sie. Rose aber versuchte noch einmal ihr erzieherisches Glück.
    »Meine liebe, kleine Schwester, wie du eventuell gemerkt hast, geht es hier um eine Privatangelegenheit zwischen Anita und mir.«
    »Sie kann so privat nicht sein. Geschichte interessiert mich!«

    » Die Geschichte interessiert dich«, stellte ich richtig, und Cilly stimmte mir mit einem Grinsen zu. »Und, Rose, da ich mich an zwei, drei Episoden erinnere, in denen ein junges Mädchen eine Rolle gespielt hat, könnte es möglich sein, dass es für Cilly wirklich von Bedeutung ist, uns zuzuhören.«
    »Das Mädchen!« Rose schlug sich mit der Hand an den Kopf. »Ja, du hast Recht, das Mädchen spielt eine Rolle. Aber...«
    »Und in meinen Mosaiksteinen der Geschichte hieß sie Valeria Gratia!«
    »Nein!«, schrie Cilly begeistert auf und biss sich auf den Daumen.
    »Ja«, sagte Rose ganz leise. »Sie hieß Valeria Gratia, und Cilly wurde Gracilla Valerie getauft. Cilly, sag Mama Bescheid, dass du bei mir übernachtest. Was ist mit deinen Hausaufgaben?«
    »Kein Thema! Heute war Ausflug, für morgen hab ich schon alles.«
    Cilly verschwand, um zu telefonieren.
    »In den Storys, die er mir in den späteren Jahren erzählte, ging es, soweit ich mich erinnern kann, nicht immer ganz jugendfrei zu.«
    »In den meinen auch nicht. Nun, dann lernt Cilly halt etwas fürs Leben. Außerdem hat sie sich von dem Glauben an den Klapperstorch schon früh verabschiedet. Mama hat das ganz gut hingekriegt.«
    »Gut, aber langsam fürchte ich, dass der Zeitansatz etwas zu knapp gewählt ist. Seit du mich daran erinnert hast, tauchen immer mehr Bilder und Szenen in meinem Kopf auf.«
    »In meinem auch. Doch wir haben ja Zeit. Es gibt noch mehr Abende.«
    »Mir ist das recht. Aber weißt du, Julian hat nie etwas
aufschreiben wollen. Wir sollten das etwas anders handhaben.«
    »Eine hervorragende Idee. Ich hole Schreibzeug.«
    So saßen wir kurze Zeit später zusammen, und ich machte den Anfang. Zuerst war es mühselig, sich des Traumes zu erinnern, den ich, betäubt durch Schmerzmittel, fiebernd und im Schockzustand, erlebt hatte. Aber als ich mich erst einmal in jene Annik versetzt hatte, die auf ihrer Insel darüber nachdachte, ob sie ihrem Geliebten nach Germanien folgen sollte, da kamen mir manchmal die Worte schneller, als Cilly und Rose schreiben konnten.
    Gegen sechs hatte ich meine Geschichte beendet, und wir rekapitulierten staunend die Details, an die ich mich erinnert hatte. Rose fasste zusammen: »Genauso hat Julian mir seine Annik beschrieben, blond, von der Sonne dunkel gebräunte Haut, blaugraue Augen. Schlank, aber zäh, fähig, nach einem schrecklichen Schicksalsschlag wieder Mut zu fassen und bereit, in eine unbekannte Zukunft aufzubrechen. Seltsam, dass du schwarzhaarig bist.«
    »Nun, ich bin keine nordische Gallierin, meine Mutter hat orientalisches Blut in der Familie, daher die schwarzen Haare.«
    »Wahrscheinlich hat er sich einige dichterische Freiheiten erlaubt. Essen wir erst einmal etwas, dann habe ich einen Beitrag zu liefern«, schlug Rose vor, worauf wir diese profane Aufgabe mit unkultivierter Hast erledigten. Dann übernahm ich die Schreibarbeit. Cilly erklärte sich bereit, uns ständig unaufgefordert mit Getränken, gespitzten Bleistiften und frischem Papier zu versorgen.
    Rose begann, und Ehre wem Ehre gebührt: Sie war eine ebenso fantastische Erzählerin wie unser Vater.

Ad perpetuam memoriam
    Zum immerwährenden Gedenken

8. Kapitel
    In den Wäldern
    Es war eine klare Herbstnacht in den uralten, tiefen Wäldern Germaniens. Der Mond war über

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