Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
die Straße hoch aufs Plateau blockiert. Einer von ihnen meldete, sie hätten aber das Sliding Center Sanki unter ihrer Kontrolle und könnten von dort die Straße hoch auf das Rosa Plateau gegen vom Tal aus vorstoßende Russen verteidigen. Hubschrauber seien bei den tiefhängenden Wolken nicht zu befürchten, übersetzte Stas den Funkspruch.
„Sollen wir mit einem Ablenkungsmanöver für weitere Deckung sorgen? Beispielsweise den alten Lastwagen mit einer Panzerfaust beschießen?“, fragte Richard.
„Nein!“, antwortete Fabian streng. „Sich auf russischem Boden auf ein Gefecht mit Terroristen einzulassen, könnte in Sibirien enden, selbst wenn wir es überleben sollten.
Die über Zufahrtsstraße gefällten Bäume würden die Verstärkung der Terroristen nicht lange aufhalten und dann würden sie wohl in die Mensa oder in den Kellerräumen zusammengetrieben. Sie mussten unauffällig verschwinden. Fabian bat Florian, den anderen wie vereinbart mit einem klingelnden Wecker im Flur ein Signal zu geben.
„Denkt auch an die Ersatzbatterien für das Navi und Radios!“, mahnte Saubauer alle. „Möglicherweise will das russische Militär, dass wir länger beim Posten oben auf dem Kamm bleiben.“ Justin steckte ein Hand-GPS ein, auf dem Julios Wegpunkte bereits gespeichert waren, wie er auf Fabians Anfrage bestätigte. Saubauers hoch präzises Navigationsgerät würden sie nur an den heikelsten Stellen verwenden. Im Gebirge gab es nun einmal keine Steckdosen. Die Ersatzbatterien seien in ihrem Rucksack, bestätigte Vanessa dem Trainer.
„Richard, du nimmst das Nachtsichtgerät!“, befahl Fabian. Er versuchte so selbstbewusst wie möglich zu klingen, obwohl Justin im Gesicht zu lesen glaubte, der Glarner schätze die Chancen, auf den Rosa Peak zu entkommen, als nicht sehr gut ein. Das russische Militär würde ihnen zwar nicht sonderlich wohlgesonnen sein, aber es müsste alles unternehmen, um sie als internationale Gäste der Olympischen Spiele in eigenen Land zu schützen.
Der Prinz steckte das Nachtsichtgerät ein und half danach Vanessa dabei, ihren Rucksack aufzusetzen. Als Justin die Tourenski in die Hand nahm, glaubte er sich nicht einmal vorstellen zu können, so bepackt einen Kilometer weit zu gehen, geschweige denn übers Gebirge. Fabian tröstete den jungen Liechtensteiner, das Marschgepäck erscheine einem jeweils nur im ersten Moment so schwer, dann gewöhne man sich daran.
Draußen im Flur sammelten sich jede Menge Athleten und Betreuer der Alpin-Herren – alle unterwegs mit Taschenlampen.
„Nehmt alle eure Bettlaken mit. Womöglich müssen wir damit später unsere bunten Skijacken tarnen. Lichter im Flur und hinteren Treppenhaus aus! Mobiltelefone aus!“, befahl Fabian auf Englisch. „Orientiert euch an den leuchtendgrünen Notausgangsschildern. Wir gehen bei der Raucherecke raus und von dort auf Skiern zur Mittelstation der Seilbahn. Keine Gespräche! Vermeidet jeglichen Lärm. Treffpunkt ist die Station. Uns bleibt wenig Zeit, bis die Verstärkung der Terroristen eintrifft! Beeilung!“, befahl Fabian weiter.
„Als Leutnant klingst du irgendwie unheimlich“, flüsterte ihm Florian zu.
„Ich bring dich hier raus“, versprach er. Sie gingen an den im grünen Schimmer der Notausgangsbeschilderung kaum zu erkennenden Leuten vorbei und die betonierte schmale Hintertreppe herunter zum ebenerdigen Hinterausgang der ersten Etage.
Auch im dunklen Flur der ersten Etage warteten etliche Gestalten.
„Zug Luchsiger!“, meldete Fabian. „Stockwerk Mayerhofer!“, quittierte der Funktionär. Die Militärsprache verstärkte Fabians Gefühl einer schwelenden Panik tief in sich. Aber er musste die Leute führen, für Panik blieb keine Zeit.
Fabian erklärte Mayerhofer, der im Schweizer Militär den Rang eines Obersts hatte, knapp, dass nur noch einige Minuten Zeit bis zum Eintreffen der feindlichen Verstärkung bleiben würden, und ging zur Türe, die zur Raucherecke ins Freie führte. Die Türklinke wurde von außen langsam nach unten gedrückt. Offenbar hatte jemand von draußen ihre Schritte im Treppenhaus gehört. Fabian lehnte sein Paar Ski an Justin, zückte die Schalldämpferpistole, die er am Vortag von Bundesrat Stutz erhalten hatte. Vorsichtig öffnete jemand die Tür einen Spaltbreit und ließ dann den Spalt langsam größer werden.
Das Licht der Lampe des Raucherplatzes schien hell ins Treppenhaus. Justin wagte nicht einmal zu atmen, als von außen ein Gewehrlauf durchgestreckt
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