Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
den Behörden ausgewiesen und vom IOC-Sportgerichtshof disqualifiziert wegen Verstoß gegen Paragraph fünfzig der olympischen Charta. Luchsi, du kennst doch den Paragrafen fünfzig?“
„Du meinst die englische Version der Charta? Der Paragraf verbietet jegliches politische Symbol oder Statement an den Wettkämpfen, also beispielsweise das Bemalen der Fingernägel in den Regebogenfarben. Das sorgte ja im vergangenen Sommer bereits an der Leichtathletik-WM in Moskau für Ärger. Eine Athletin musste die Farbe wieder abmachen, um nicht disqualifiziert zu werden.“
„Sie heißt Emma Green Tregaro. Ich habe auch von der Sache gehört“, bestätigte Florian. „Der Sportbund hat zehntausende Euro in mich investiert, um mich zumindest im Slalom an die Weltspitze zu schieben. Wenn ich meine Olympiateilnahme für einen Moment lang Regenbogenfahne zeigen verspielte, dann würden mir das zu Recht eine Menge Leute übel nehmen. Das würde kaum zur Akzeptanz von schwulen Sportlern hierzulande beitragen.“
„Pass auf dich auf, wenn du in Sotschi bist“, sorgte sich Fabian.
Florian wuschelte ihm durch die Mähne. „Du aber auch, oder glaubst du ernsthaft, die lassen den Star vom vergangenen Wochenende zu Hause?“ „Achtung, Florian, wir müssen da vorne rechts nach Schladming rein, nicht auf der Umfahrung bleiben!“, wechselte Fabian geschwind das Thema und deutete auf die Ausfahrt. Mayerhofer war beim Verband Swiss-Ski das für den Schnee-Leistungssport zuständige Direktoriumsmitglied und würde wohl de facto über die Nominierung entscheiden, auch wenn formal Swiss Olympic die qualifizierten Athleten für Sotschi aufstellen würde. Fabian fand, Florian gab sich etwas zu altklug. Im Spitzensport war der Blonde nur bei seinem Trainer geoutet und wollte, dass es dabei bleibt. Sonst hätte er ja nicht den Flyer zuunterst im Handschuhfach verschwinden lassen. Aber immerhin ging Florian offenbar regelmäßig zu einem Schwulentreff, wozu Fabian noch nicht den Mut aufgebracht hatte. Außerdem waren nicht alle in der Bergbevölkerung tolerant. Er erinnerte sich an eine Gedenktafel für einen verunglückten schwulen Bergsteiger, die regelmäßig gestohlen wurde. Also könnte es mit dem einen oder anderen Hotel oder Veranstalter Probleme geben, wenn ein offen Schwuler auf der Rennläuferliste stand. Aber das Wichtigste für Fabian in diesem Moment war, dass sein hellblonder Ski-Kumpel tatsächlich schwul war und sich vielleicht sogar für eine echte Freundschaft, vielleicht sogar Beziehung mit ihm interessierte.
„Du hättest hier im Kreisverkehr gleich die erste Ausfahrt rechts nehmen sollen“, mahnte Fabian.
„Ihr Schweizer wohnt ja im Landauer von Rohrmoos-Untertal, nicht im gleichnamigen Haus im Schladminger Stadtzentrum“, erinnerte sich Florian, der nun eine Extrarunde drehen musste. Ausgerechnet Chalbermatter wollte gerade in den Kreisverkehr einfahren, als sie ihre Runde fertig gefahren hatten. Damit würde er gleich hinter ihnen beim Hotel eintreffen, das hinter einem kleinen Pass zehn Autominuten entfernt lag.
„Also, Luchsi, SMS oder telefonieren, wie die Sitzung ausgegangen ist! Außerdem, das hier soll kein
One-Drive-Stand
gewesen sein!“, lachte Florian und stieß Fabian an, als sie vor dem Gasthof ankamen. Fabian versprach es und stieg aus. Es lag immerhin in den Wiesen noch Schnee trotz des kräftig blasenden Föhns. Fabian winkte dem R8 nach und ging schnell ins Hotel hinein, als Florian außer Sicht war, da bereits Chalbermatter auf den Gästeparkplatz fuhr. Hoffentlich würde der Teamkollege nicht zu viel in die Sportwagenfahrt hineininterpretieren.
Eine aufgezogene Liechtensteiner und Schweizer Fahne sowie ein Union-Jack signalisierten schon, welche Nationen erwartet wurden.
„Herzlich Willkommen im Landauer, Herr Luchsiger. Gratulation zum Sieg auf der Streif und zum zweiten Platz im Slalom von gestern“, begrüßte ihn die Hotelchefin. Das überraschte ihn, denn bisher hatte er sich immer an der Rezeption vorstellen, in Wengen sogar einen Ausweis zeigen müssen. „Vielen Dank.“ Mehr wusste er nicht darauf zu antworten. Klaus und seine Gehilfen trugen gerade Material hinter ihm durch. Der Materiallastwagen des Teams musste ihn überholt haben, als er mit Florian die Zeit vergessen hatte. Der Chauffeur fragte im Vorbeigehen, wie die Fahrt im R8 gewesen sei. Fabian antwortete „cool“ und hoffte, dass der Mann die Frage wirklich auf das Auto und nicht auf Florian bezogen hatte.
„Sie
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