Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
paar Meter ein Kran gestanden, antwortete Fabian. Der Spaß hier habe doppelt so viel gekostet wie die neue Schweizer Eisenbahn-Alpentransversale, zu der immerhin auch der längste Tunnel der Welt gehöre, wusste Conradin.
Fabian erklärte dem russischen Studenten, das sei eine Macke der Schweizer, als Erstes immer zu fragen, wie viel etwas gekostet habe, wenn sie etwas Eindrückliches sehen würden. Stas fügte hinzu, man wäre problemlos mit der Hälfte ausgekommen. Vladimir Putin habe während der Bauphase wichtige Leute gefeuert, weil die Kosten aus dem Ruder gelaufen und Geldbeträge in Milliardenhöhe „verschwunden“ seien. Doch zum Plaudern auf dem Bahnsteig blieb keine Zeit. Eine Pressefotografin bat Fabian, Richard und Justin kurz neben dem Sotschi 2014-Logo am Ende des Zugs zu posieren und Florian, der zu den dreien dazu gestoßen war, musste sich gleich dazustellen und mit ihnen in die Kamera zu winken. Sie seien ein Symbol dafür, dass sich junge Athleten aus verschiedenen Ländern zum freundschaftlichen Wettkampf hier einfinden würden, erklärte sie. Ein Kamerateam von Reuters stieg mit in den Zug ein und musste zuerst dem Schaffner seine Akkreditierung zeigen. Die russische Führung sei etwas nervös wegen der gewiss leeren terroristischen Drohungen gegen die Olympiade, die vom selbsternannten Emir des Kaukasus ausgesprochen worden seien, erklärte Stas die Kontrolle.
Fabian fuhr nicht gerne rückwärts. Deshalb setzte er sich in Fahrtrichtung mit seinen drei Kollegen in ein Abteil. Sogleich rollte der noch sehr neue Zug aus dem Bahnhof hinaus, erst in einen Tunnel, dann über ein Viadukt in den Bahnhof der Stadt Adler. Ab dort fuhr der Zug leider in die entgegengesetzte Richtung weiter und Fabian musste nun die Fahrt rückwärts ertragen. Stas im gegenüberliegenden Abteil schien das bemerkt zu haben und bot dem Schweizer Gast seinen Platz an, als sie im Bogen südlich um den Flugplatz fuhren, aber der Glarner meinte, so schlimm sei das auch wieder nicht. Zudem hätte er dann nicht so nahe bei Florian sitzen können.
„Luchsi, können wir über deine SMS von vorhin reden?“, fragte Florian auf Deutsch.
„Justin hat kein Problem damit“, antwortete er ausweichend auf die Frage.
„Ein sehr privates Foto von uns wurde in der Boulevardpresse abgedruckt“, erklärte Florian für Richard auch auf Deutsch.
„Ich kenne das“, seufzte der Brite mit starkem Akzent. „Geht es um Vanessa?“
„Nein, Luchsi und ich wurden geoutet!“
Richard quittierte das lediglich mit einem „Oh!“.
Während einer Fahrt durch einen längeren Tunnel sprach keiner der vier. Fabian hoffte, das peinliche Thema wäre nun abgehakt, aber kaum fuhr der Zug wieder im Freien, fragte Justin, ob Florian denn schon was von seinen Verbänden gehört habe.
„Von oben? Das wird dauern, zumal der Verband kürzlich an einer Pressekonferenz sinngemäß auf die Reporterfrage nach Putins Anti-Homo-Gesetzen gemeint hat, so etwas wie einen schwulen deutschen Olympioniken gäbe es nicht.“
„Hat er es so krass gesagt?“, frage Justin.
„Der Pressesprecher hat es natürlich politisch korrekter formuliert, aber es kommt etwa auf dasselbe raus.“
„Was genau?“, hakte Fabian nach.
„Sie verweisen einfach auf ihr Statement vom 19. August vergangenen Jahres und betonen, dass sie grundsätzlich das Privatleben der Athleten nicht kommentieren würden“, grollte Florian. „Das Timing hätte nicht schlechter sein können. Jetzt mit unserer Ankunft rollt in den Medien das Thema ‚Olympische Spiele‘ eben an. Das Foto stammt ja von Montag vor einer Woche. Wäre besser gewesen, sie hätten es gleich am Tag danach gedruckt. Dann wäre das Thema jetzt durch.“
„So funktioniert leider die … äh …
yellow press
“, sprach Richard wohl aus Erfahrung.
„Was immer die schreiben, ich stehe auf eurer Seite, Fabian und Florian“, versicherte Justin.
Der Zug hielt an einer Haltestelle namens
Esto-Sadok
, die im Stil eines modernen S-Bahnhofs gehalten war, mit transparent überdachten Bahnsteigen. Ein paar Athletengruppen stiegen aus, das müssen die Skispringer sein, wusste Florian. Sie wurden auf dem Vorplatz von Bussen erwartet. Schon beschleunigte die Triebwagenkomposition wieder.
„Keine Ahnung, wie heftig die Russen reagieren, wenn sie es in den kommenden Stunden mitbekommen“, fürchtete Fabian und blickte sorgenvoll zu Stas hinüber, der war jedoch mit seinem Tablet-Computer beschäftigt und hatte wohl der auf
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