Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Deutsch geführten Unterhaltung nicht folgen können. Nach einigen Minuten Schweigen fügte Justin noch hinzu:
„Denkt daran, Präsident Obama hat im Sommer gesagt, er freue sich über jede von einer Lesbe oder Schwulen gewonnene Medaille“, erinnerte Florian, „also enttäuscht ihn nicht!“
„Das ist doch für euch beide eine perfekte Motivation, nicht wahr?“, pflichtete ihm Richard bei.
Gegen Ende der Strecke verlief die Eisenbahn vor allem als Viadukt. Sie passierten die Außenstelle des olympischen Mediendorfs in den Bergen im Skiressort Gornaya Karusel, einem aus dem Boden gestampften Hotel- und Touristendorf. Damit erreichte der Zug die Endstation der in dieses enge Tal gesprengten Linie. Sie hatten anderthalb Mal die Länge des Glarnerlands in weniger Zeit zurückgelegt, als die Bahn bei Fabian zu Hause benötigte, um seinen Heimatkanton von Norden nach Süden zu durchqueren. Beeindrucken konnte diese Schnellbahn schon, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass die verbauten Milliarden sich jemals rentieren würden. Vielleicht dachten die Russen eben anders als die Schweizer, die neulich an der Urne eine Kandidatur für olympische Winterspiele abgelehnt hatten. Hier war nationales Prestige eben auch ein Wert, der stark in die Nutzenrechnung einfloss.
Wichtig war Fabian in diesem Moment, dass seine Freunde mit dem unfreiwilligen Coming-out keine Probleme hatten, auch wenn er nicht so naiv war, zu glauben, die Angelegenheit sei bereits ausgestanden. Die riesige Journalistenherde war ja erst dabei, sich hier einzurichten. Die mediale Aufmerksamkeit im Weltcup war einer der wesentlichen Unterschiede zum Europacup. An den olympischen Spielen würde das noch viel extremer sein.
Ein paar Reporter waren bereits bei der Arbeit und nahmen beim Austeigen ganz besonders sie vier ins Visier. Fabian hoffte, dies würde vor allem an Richard liegen und weniger an seiner sexuellen Orientierung. Er verspürte wenig Lust, zu testen, wie viel Putins Wort wert war, es würde keine Diskriminierung geben. Er vermutete, es bedeute lediglich, wer nicht als Schwuler sichtbar sei, habe auch nichts zu befürchten, denn der einflussreiche Duma-Abgeordnete Josef Adolew war in den zurückliegenden Monaten nicht müde geworden, zu betonen, dass Schwule in Russland nicht willkommen seien, auch nicht an den olympischen Spielen. Deshalb erschien Fabian das Welcome-Theater an der Endstation, dem Alpika Service Terminal, als verlogen süßlich. Doch wenn er hier wirklich eine Chance auf Medaillen haben wollte, musste er sich auf den Sport konzentrieren. Zudem wollte er sich das Erlebnis, als Sportler an olympischen Spielen dabei sein zu dürfen, nicht von Homophoben wie Adolew verderben lassen.
Am darauffolgenden Sonntag im Kaukasus würden in der olympischen Abfahrt die Skifahrer ihren König krönen, vielleicht Pesenbauer oder Jonny Ulrichen? Oder würde David Koslow im eigenen Land unter Putins Augen zum Ski-Zar werden? Und er, der Ski-Punk, würde dabei sein. Wahnsinn!
Auch beim Bau des Kopfbahnhofs hatten sich die Russen nicht lumpen lassen. Ein von vielen Stahlsäulen getragenes blaues Dach überspannte die drei Gleise. Im engen bereits im Schatten der Berge liegenden Tal lag zwar kein Schnee, aber weiter oben war der Wald offensichtlich weiß. Das beruhigte nicht nur Fabian. Normale Touristen würden mit einer Schwebebahn hoch zum olympischen Dorf und zum Skigebiet gelangen, doch für die Athleten standen Reisebusse bereit, nicht etwa sowjetische Militärlastwagen, wie Patrik beim Austeigen befürchtet hatte. Eine Kamera des Senders Russia Today und eine, die das Fabian unbekannte Logo SNI trug, drängten sich zu ihnen. Richard zog offenbar die Journalisten an wie das Licht die Motten. Sie fragten den Prinzen, was er von der neuen Eisenbahn halte. Die Höflichkeit des Gastes gebot es, die beeindruckende Ingenieursleistung zu loben.
Neben den Reisebussen stand auch ein Lastwagen des Schweizer Fernsehens SRF. Sie diskutierten dort mit zwei Soldaten.
Florian musste zurück zu seinen Leuten.
Am Bus begrüßte Fabians Mannschaft ihren Fahrer mit dem Vornahmen Edcham, ein fast glatzköpfiger, kleiner Mann, der förmlich glühte vor Stolz.
„Du langer Rothaariger hast geschlagen Koslow in härtesten Rennen von Welt“, lachte er in holprigem Englisch beim Handschlag Fabian an. „Ich habe recht gehabt, du bist hier. Hundert Euro!“
Fabian hatte sich im vergangenen März zu einer Wette überreden lassen, ob er in elf Monaten
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