Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Mann lasten, denn die Konkurrenz ist groß: Der Titelverteidiger aus Österreich will da auch ein Wort mitreden.“
Garchinger ging nun ein paar Schritte auf Jörg Pesenbauer zu, der jedoch in sein autogenes Training versunken war. Die Kamera schwenkte hinüber zu Jonny Ulrichen, der gerade mit Saubauer etwas besprach, dann zu Hansi Vorderseher, bei dem ein Helfer noch etwas am Rückenschutz verstellte, und schließlich zu dem berühmten Schweizer Materialexperten Klaus Linthaler, der bei einem Paar Ski gerade das streng geheime Nanospray auftrug, wie Garchinger den deutschen Schneesportfans zu Hause an den Empfängern erläuterte. „Da ist wohl auch eine Portion Aberglaube mit dabei“, spottete er ins Mikrofon. „Apropos Glaube, Koslow ließ heute früh seine Ski von einem orthodoxen Priester segnen. An dem Gottesdienst hat auch der Präsident des Gastgeberlandes, Vladimir Putin, teilgenommen. Der russische Präsident wird jetzt im Zielraum des Rennens erwartet.“
„Und nun das Ritual!“ In der Tat stupfte Fabian Luchsiger nun mit dem Skistock gegen Justin Bends Bein und dann ging es zwei-, dreimal hin und her; zum Schluss hielten sie mit Richard und Florian Häusle ihre „Degen“ zusammen.
„Einer für alle, alle für einen, wie bei den vier Musketieren“, kommentierte Garchinger. „Ich glaube fest daran, dass zumindest bei unserem deutschen, hoch talentierten Rennläufer Florian Häusle das Ritual seine Wirkung nicht verfehlen wird.“
Seine Kamerafrau formte mit ihren Händen den Buchstaben „T“, was bedeutete, er musste die Livesendung beenden. „Mit diesen Eindrücken aus dem Startraum der in Kürze beginnenden Olympia-Abfahrt gebe ich zurück nach München.“
Garchinger grinste noch ein paar Sekunden lang in die Kamera, bis ihm Helga bestätigte, sie seien draußen. Er war zufrieden. Das war gut aufgegangen mit dem Eintreffen von Koslow und dem Ritual des Viererteams. Es war nun vorgesehen, dass er mit Helga in den Zielraum fahren würde. Vielleicht konnten Sie Putins Reaktion auf Koslows Sieg oder Niederlage live einfangen; die offizielle Liveübertragung der von Russland beauftragten Schweizer würde das ja voraussichtlich nicht bieten. Die Satellitenschüssel konnte oben bleiben, denn unten würde Helgas Antenne direkt mit dem Übertragungswagen Verbindung halten. Angesichts des Auflaufs und der sündhaft teuren Kamera war es wohl besser, mit der Seilbahn hinunterzufahren, entschied er und winkte einen der Motorschlitten herbei, die für den Pendelverkehr zwischen Bergstation und Starthaus bereitstanden. Um inzwischen den Rennverlauf mitzubekommen, schaltete er sein Smartphone auf den Livestream, wechselte dann aber ungehörigerweise zum ORF. Dort durften die Moderatoren noch richtig mitfiebern. Außerdem hatten sie mit Pesenbauer ja ein heißes Eisen im Feuer, wohingegen Garchinger seinen eigenen Mannen Häusle und Vorderseher nur ein olympisches Diplom zutraute, falls einer von den beiden einen guten Tag erwischen würde.
Auf der Motorschlittenfahrt hoch zur Station verfolgte er auf dem Display die Kamerafahrt, so gut es unter den sehr hellen Lichtverhältnissen eben ging. Die Piste sei ab der Mittelstation schnell und eisig, das werde ein spannender Kampf um das wichtigste Gold des Alpin-Rennsports, fand der Reporter. Das Rennen sollte gleich darauf beginnen.
Das Rennen begann mit acht weniger guten Läufern; die stärksten der Welt würden erst danach starten. So sollte der Rennablauf für das Publikum spannender werden. Ein Kamerahubschrauber knatterte über sie hinweg, als Garchinger alleine mit der Kamerafrau in die Gondel einstieg.
Koslows Teamkollege Funtow führte die erste Gruppe Rennläufer an und die Gondel schwebte gerade über das Russian Trampoline hinweg, als Florian Häusle einen sehr kompakten Satz machte. Das war besser als im Training, da war sich Garchinger sicher und auch der österreichische Kommentator teilte diese Meinung. Er hatte sich absichtlich für den Kommentar der Konkurrenz entschieden und nicht für den seines Kollegen in einer der Kabinen über der Tribüne im Zielraum. Der DSV-Nachwuchsfahrer aus dem Schwarzwald war der letzte Läufer der schwächeren Achtergruppe. Er kämpfte offensichtlich, um in der optimalen Position mit möglichst wenig Luftwiderstand zu bleiben. Trotzdem lag er bei der nächsten Zwischenzeit drei Zehntel hinter dem führenden Russen, als er in einer Kurve für Garchinger außer Sicht fuhr. Schon bei der nächsten
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